Veröffentlicht in: Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 50-51, 2020, S. 255–283. Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift für kritische Theorie und des Meiner Verlags.
Zu Fred Motens Auseinandersetzung mit Theodor W. Adorno
Von Ruth Sonderegger
1. Intro
Dass Fred Moten sich immer wieder neu den Texten von Theodor W. Adorno aussetzt, ist umso bemerkenswerter, als frühere Begegnungen zwischen antikolonialem Denken, postkolonialer Theorie und der Black Radical Tradition1 auf der einen Seite mit der kritischen Theorie der Frankfurter Schule auf der anderen Seite grandios gescheitert sind. Legendär sind diesbezüglich die in den 1940-er Jahren von Herbert Marcuse in New York eingefädelten Treffen zwischen Adorno und C.L.R. James,2 dem großen Soziologen und Historiker der Haitianischen Revolution.3 Ihre Begegnungen können deshalb als gescheitert bezeichnet werden, weil sie in den Schriften der beiden kritischen Theoretiker trotz vieler Verwandtschaften im Denken – etwa einer fast deckungsgleichen Kritik der westlichen Moderne – nicht die kleinste Spur hinterlassen haben.4
Fred Moten ist darum ein im höchsten Maß außergewöhnlicher Leser Adornos, als er ihm bis in die letzten Winkelchen der Gedankenwendungen hinein folgt, um dann meist zu gänzlich anderen Schlussfolgerungen zu kommen. Und dies nicht ohne darauf hinzuweisen, wie sehr noch seine, Motens, Umwendungen sich Adorno verpflichtet fühlen. Aus der Black Radical Tradition kommend gibt Moten vielen Adorno-Sätzen oder -Halbsätzen eine derart neue Bedeutung, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus kommt und sich sicher ist, dass Adorno die von Moten wörtlich zitierten Sätze nie gesagt bzw. geschrieben hat. Bis man beim Nachprüfen eines Besseren belehrt wird. Oder etwa akzeptieren muss, dass Adorno auch als Stichwortgeber von Schwarzen Widerstandsbewegungen bis hin zu Black Life Matters verstanden werden kann. Nicht zuletzt ist erstaunlich, dass Moten Adornos negative Dialektik auf eine geradezu umwerfend affirmative Weise entführt. Anstatt Adorno zu schulmeistern, öffnet Moten Adornos Denken in Richtung auf politische Kämpfe, für die Adorno taub war. Diese tiefe, ja abgründige Verbundenheit ist wohl der geteilten Leidenschaft für die Materialität der Musik – in allen Künsten, aber auch Alltagspraktiken – geschuldet, auch wenn Moten immer vom Jazz her denkt und Adorno gegen ihn.
So überspitzt und allgemein gesagt, dass es schon fast wieder unwahr wird, könnte man zur Charakterisierung des Verhältnisses zwischen Moten und Adorno einleitend festhalten bzw. ankündigen: Während Moten im Angesicht und vollen Bewusstsein vollendeter Unfreiheit ein affirmativer Denker des Widerstands wird, bleibt Adorno ein negativer Theoretiker des Standhaltens. Das zeigt sich in ihrem Verhältnis zur Dialektik und in ihren politischen Theorien der Subjektivierung nicht weniger als in ihren Ästhetiken, wobei beide – Moten stärker als Adorno – davon ausgehen, dass Ästhetik mit Fragen der Subjektivierung intrinsisch zusammenhängt.
Ich wende mich den Überlegungen Motens aber nicht nur deshalb zu, weil er wie wenige in der Lage ist, Leser*innen Adornos aus eingefahrenen Lektüren herauszuholen und scheinbar notwendige Aporien in etwas Anderes, nämlich Flüchtigeres – im Sinn von Flucht (fugitivity) – zu verwandeln. Mich interessiert Motens Denken vor allem im Licht der Fragestellung, ob und wie Adorno (bzw. die Frankfurter Schule im Allgemeinen) für de- und postkolonialen Kritik fruchtbar gemacht werden kann. Während das Feld dieser Kritik eigenartig gespalten ist in (nicht so viele) Theoretiker*innen, die meinen, dass Adorno für die anti- und dekoloniale Agenda sehr hilfreich ist, und jenen, die unter dem Fokus der De- und Postkolonialität mehr oder weniger hart mit Adorno ins Gericht gehen,5 zeigt Moten einen Weg der kritischen Affirmation im Umgang mit Adorno auf – gerade auch unter dem Fokus der kolonialen Gewalt und noch mehr im Sinn des Widerstands gegen sie.
2. Der Widerstand des Objekts
Obwohl es im theoretisch zentralen Einleitungskapitel von Motens Monografie In the Break im wörtlichen Sinn kaum um Adorno geht, ist er in Gestalt der Kapitelüberschrift dennoch allgegenwärtig. Denn „Resistance of the Object“ – so der Titel des ersten Kapitels – ist eine Transposition des Adorno’schen Vorrangs des Objekts in eine neue Tonart, die weder Dur noch Moll ist. Zudem setzt Moten sich gleich in der ersten Fußnote mit Asha Varadharajans These auseinander, mit Adornos Negativer Dialektik könne man nicht nur den Zusammenhang zwischen Wissen und Macht verstehen, sondern auch die Möglichkeit des Widerstands auf der Objektseite des Zusammenhangs zwischen Wissen und Macht.6 Moten bezeichnet seine Überlegungen zwar als „Echo“ derjenigen von Varadharajans, weist aber auch gleich darauf hin, dass er in der Einschätzung Adornos von ihr abweiche.
Adornos These vom Vorrang des Objekts denkt auf ein Objekt hin, das aufgrund der kategorialen Differenz zwischen Begriff und materialer Sache immer entzogen bleibt. Allerdings bedeutet das Adorno zufolge nicht, dass jedes Denken das von ihm Gedacht gleichermaßen verpasst oder gar vernichtet. Es ist nicht einerlei, wie und wie viel man unter einen Begriff subsumiert. Zudem gilt: Gerade und nur mit den Mitteln des Begriffs kann man Adorno zufolge dem Objekt sogar durchaus nahe kommen, auch wenn das Objekt in seinem uneinholbaren Vorrang eine Art Grenzbegriff bleibt. Nicht umsonst entwickelt Adorno die negative Dialektik und – in Anknüpfung an Walter Benjamin – auch das Denken in Konstellationen als Modelle des bewussten, d. h. begriffskritischen Umgangs mit dem Vorrang des Objekts.7 Daraus ergibt sich auch ein ethisch-politischer Maßstab, ja ein Gebot, der Singularität des nie gänzlich verfügbaren Objekts so nahe wie möglich zu kommen und es trotzdem in seiner Unnahbarkeit zu respektieren.
Moten denkt den Widerstand des Objekts gewissermaßen genau umgekehrt, nämlich vom Objekt statt vom begrifflichen Denken aus oder zumindest von bestimmten Objekten aus; und zugleich in Auseinandersetzung mit dem „Fetischcharakter der Ware“ im ersten Band des Kapitals von Karl Marx.8 Dort wendet Marx sich gegen die Vorstellung, den Waren würde ihr Wert in der Art einer natürlichen Eigenschaft zukommen, ihnen gleichsam wie ein „Naturstoff“9 zugrunde legen. Dieses falsche Bild verschleiert nicht nur, dass die Waren ihren (Tausch-)Wert erst durch die Zirkulation im Zug des Warentausches enthalten. Es verschleiert auch die fortlaufende und willkürliche Veränderung des Warenwerts, der den unkontrollierbaren Zufälligkeiten der Tauschlogik des Marktes ausgeliefert ist und sich darin vom Gebrauchswert unterscheidet, den Waren durchaus auch haben können. Denn der Gebrauchswert wird von den Menschen bestimmt, die Gebrauch davon machen. Die Logik des Tauschwerts hingegen bleibt den Menschen verborgen. Dabei hat Marx durchaus Verständnis dafür, dass die am Gebrauchswert interessierten Menschen den Warenwert, den sie bezahlen müssen, zwar als unkontrollierbar erfahren, diesen monetären Wert aber trotzdem wie eine Natureigenschaft behandeln, ja fetischisieren – eben weil die Logik des sprunghaft sich verändernden Tauschwerts und noch mehr seine Rolle in der kapitalistischen Produktionsweise der menschlichen Kontrolle entzogen bleibt und irrational ist. So wird der Tauschwert der Ware etwas „Geheimnisvolles“,10 von dem man gleichwohl nicht ablassen kann, weil man täglich damit konfrontiert ist. Ein Fetischismus eben.
Viel gravierender ist in den Augen von Marx, dass selbst die bürgerlichen Ökonomen bis dato diesem Fetischismus zugearbeitet und ihn als wissenschaftliche Größe behandelt haben. Um ihren Irrtum deutlich zu machen oder besser: zur Kenntlichkeit zu karikieren, stellt Marx zunächst ein Gedankenexperiment an, um dann darauf hinzuweisen, wie sehr die im Gedankenexperiment verhandelten Thesen zum Warenwert, die der bürgerlichen Ökonomen sind. Schließlich müssen zwei Figuren – man sollte wohl sagen: Deppen-Figuren – aus Shakespeares Viel Lärm um nichts den Irrtum der kritisierten Ökonomen so krass vertreten, dass er selbst für die uneinsichtigsten Fetischisten sichtbar wird. Marx‘ Gedankenexperiment beginnt so:
„Könnten die Waren sprechen, so würden sie sagen, unser Gebrauchswert mag den Menschen interessieren. Er kommt uns nicht als Dingen zu. Was uns aber dinglich zukommt, ist unser Wert. Unser eigner Verkehr als Warendinge beweist das. Wir beziehn uns nur als Tauschwerte aufeinander.“
Dann ergreift Marx wieder das Wort und kommentiert:
„Man höre nun, wie der Ökonom aus der Warenseele heraus spricht:
„Wert“ (Tauschwert) „ist Eigenschaft der Dinge, Reichtum“ (Gebrauchswert) „des Menschen. Wert in diesem Sinn schließt notwendig Austausch ein, Reichtum nicht.“ „Reichtum“ (Gebrauchswert) „ist ein Attribut des Menschen, Wert ein Attribut der Waren. Ein Mensch oder ein Gemeinwesen ist reich; eine Perle oder ein Diamant ist wertvoll ... Eine Perle oder ein Diamant hat Wert als Perle oder Diamant.“
Bisher hat noch kein Chemiker Tauschwert in Perle oder Diamant entdeckt. Die ökonomischen Entdecker dieser chemischen Substanz, die besondren Anspruch auf kritische Tiefe machen, finden aber, daß der Gebrauchswert der Sachen unabhängig von ihren sachlichen Eigenschaften, dagegen ihr Wert ihnen als Sachen zukommt. Was sie hierin bestätigt, ist der sonderbare Umstand, daß der Gebrauchswert der Dinge sich für den Menschen ohne Austausch realisiert, also im unmittelbaren Verhältnis zwischen Ding und Mensch, ihr Wert umgekehrt nur im Austausch, d.h. in einem gesellschaftlichen Prozeß. Wer erinnert sich hier nicht des guten Dogberry, der den Nachtwächter Seacoal belehrt:
„Ein gut aussehender Mann zu sein ist eine Gabe der Umstände, aber lesen und schreiben zu können kommt von Natur.“11
Die Waren, die dieser Passage zufolge die Sprache der bürgerlichen Ökonomen sprechen, weisen zwar darauf hin, dass der Tauschwert der Waren sich ihrer Zirkulation auf dem Markt verdankt, glauben aber trotzdem, dass der Tauschwert etwas ist, was den Waren „dinglich zukommt“ und objektiv ist, während die Gebrauchswerte, die Waren für Menschen haben, nur subjektiv sind. So als wäre der Gebrauchswert, den beispielsweise ein Medikament für eine bestimmte Person hat, relativ, der für das Medikament zu zahlende und – so würde Marx sagen – unter allerlei Zufälligkeiten wie Kursschwankungen, Spekulationen der Pharmaindustrie etc. zustande gekommene Tauschwert, d.h. der für das Medikament zu zahlende Preis, hingegen eine dingliche und objektive Eigenschaft des Medikaments.
Moten setzt an einer für Marx-Leser*innen wohl völlig unerwarteten Stelle an: bei der Infragestellung des Konjunktivs von Marx’ Beispiel, das mit den Worten „Könnten die Waren sprechen“ beginnt. Moten hält dagegen,12 dass es durchaus sprechende Waren gibt, nämlich versklavte Menschen, die als Waren – während des transatlantischen Sklavenhandels meist unter dem Begriff cargo oder chattel – gehandelt, also verschifft, verkauft und weiterverkauft wurden; und dass sich aus der Perspektive dieser sprechenden Waren das Verhältnis zwischen Tausch- und Gebrauchswert durchaus anders darstellt als für Marx. Moten zufolge bringen diese Waren nicht nur Marx’ Aufteilung zwischen der Perspektive der Waren und Ökonomen einerseits und der der bedürftigen Menschen auf der anderen Seite durcheinander, sondern auch den kapitalistischen Warentausch. Denn sie eröffnen etwas Drittes neben dem – aus Marx’ Perspektive: entfremdenden – Warentausch und dem Marx zufolge authentischen Gebrauchswert,13 das Moten als social life, als Sozialität und Austausch jenseits der Gemeinschaft der possessiven, bürgerlichen Subjekte bezeichnet. Gleichzeitig und darüber hinaus realisieren die sprechenden Waren etwas, was Marx sich nur in der Zukunft, genauer gesagt nach der Aufhebung des Privateigentums vorstellen kann: die Emanzipation aller menschlichen Sinne zulasten des einen, im Kapitalismus alles überschattenden Sinn des Habens. Und das heißt von Sinnen, die dann zugleich als Theoretiker*innen zu sich kämen. In diesem Sinn schreibt Marx: „Die Aufhebung des Privateigentums ist daher die vollständige Emanzipation aller menschlichen Sinne und Eigenschaften; […] Die Sinne sind daher unmittelbar in ihrer Praxis Theoretiker geworden.“14 Wie soll eine solche Emanzipation im Herzen der Warenwelt geschehen? Und was hat das mit Adorno zu tun?
Moten geht es mit seinem Ansatz bei den sprechenden Waren nicht um die Erinnerung daran, dass versklavte Menschen natürlich auch gesprochen haben, obwohl ihnen das Sprechen – (insbesondere während der Arbeit) und erst recht das Schreiben und Lesen – unter Androhung drakonischer Strafen immer wieder untersagt worden ist. Das Sprechen, das er meint, ist ein widersetzliches, eines des Widerstands, ein Sprechen, das den Widerstand eines Objekts bzw. eines zum Objekt Gemachten verdeutlicht. Das Sprechen, das Motens Überlegungen inspiriert, findet er in einer von Frederic Douglass in Narrative of the Life of Frederic Douglass im ersten Kapitel beschriebene Szene. Douglass bezeichnet diese Szene als jenes „most terrible spectacle“, mit dem er als Kind in das Leben eines Versklavten subjektiviert wurde: die Auspeitschung seiner Tante Hester.15 Moten liest Douglass’ Bericht von den Schreien seiner Tante, die auf die Flüche des Auspeitschers antworten – „heart-rendering shrieks form her, and horrid oaths from him“16 –, mit den von Douglass an mehreren Stellen seiner Autobiografie auftauchenden Gesängen der Versklavten zusammen und sieht eine Kontinuität zwischen ihnen. Die Gesänge der Versklavten tauchen bei Douglass gleich im Anschluss an das erste Kapitel auf, in dessen Zentrum Aunt Hester steht:
„While on their way, they would make the dense old woods, for miles around, reverberate with their wild songs, revealing at once the highest joy and the deepest sadness. They would compose and sing as they went along, consulting neither time nor tune. […] This they would sing, as a chorus, words which to many would seem unmeaning jargon, but which, nevertheless, were full of meaning to themselves. […] they were tones loud, long, and deep; they breathed the prayer and complaint of souls boiling over with the bitterest anguish. Every tone was a testimony against slavery. […] To those songs I trace my first glimmering conception of the dehumanizing character of slaves.“17
Moten setzt also nicht auf das gewöhnliche Sprechen, wenn er dem Schreien und Singen der sprechenden Waren seine Ohren leiht. Er denkt vielmehr im Anschluss an und im Ausgang von einem Sprechen, das kaum Sprechen genannt werden kann. Zugleich ist es gerade bei Aunt Hester mehr als bloßes Geräusch oder Lärm, nämlich ein gerichtetes, adressierendes Sprechen-Schreien, das sich der Gewalt des kapitalistischen Verwertungszusammenhang, dessen Katalysator die Plantagensklaverei ist, widersetzt und ihn durchbricht. So eröffnet das Sprechen-Schreien von Douglass’ Tante Hester Moten zufolge eine bis heute anhaltende Flucht-Linie Schwarzer Performance von Materialität; sei es in der Musik, im Visuellen, im Tanz oder in der Sprache.
Die widersetzlichen Entgegnungen von Aunt Hester, die die Flüche ihres Peinigers provozieren und auf sie antworten, sind akustische Verstärkungen und Wiederholungen der Widersetzlichkeit, die der Auspeitschung vorausgingen. In den Augen von Moten sind sie darum auch einer der Anfänge der call and response-Struktur, die Schwarze Musik bis heute prägt. Zugleich aber sind Aunt Hesters Schreie aufgrund ihrer Materialitiät auch mehr als die kommunikative Sprache. Dieser halten sie vielmehr den Widerstand einer auditiven Sinnlichkeit entgegen bzw. fügen der kommunikativen Sprache etwas hinzu; eine Sinnlichkeit – insbesondere des Timbres –, die sich der kommunikativen, immer zum Einheimsen und Haben einer Botschaft tendierenden Zirkulation der Wörter und Zeichen entzieht. Diese widerständige und zugleich Befreiung nicht nur einfordernde, sondern auch realisierende Sinnlichkeit – „[w]here shriek turns speech turns song“ – inspiriert Moten zufolge Schwarze Musik bis heute. Sehr direkt sei das Schreiensingen von Aunt Hester beispielsweise in „Protest“ von Abbey Lincoln, Max Roach und Oscar Brown Jr, aber auch in Albert Aylers „Ghosts“ und James Browns „Cold Sweat“ – nachzuhören.18 Analog zu Marx und Adorno setzt Moten also bei einem erniedrigten, geknechteten und verachteten Wesen, wie Marx in „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ sagt, an.19 Aber nicht so sehr, um es zu befreien, sondern mit der größten Aufmerksamkeit dafür, wo und wie solche Wesen sich selbst widersetzt und – sei es nur für die Dauer eines Songs – befreit haben. Motens Version eines „Vorrangs des Objekts“ versucht nicht, wie Adorno vom negativ-dialektischen Denken aus dem materialen Objekt Vorrang einzuräumen, ihm so nahe wie möglich zu kommen, ihm so viel Gerechtigkeit wie möglich widerfahren und Eigensinnigkeit zukommen zu lassen. Moten will ein Sensorium und damit dann Aufmerksamkeit dafür entwickeln, wo und wie ein erniedrigtes Objekt sich selbst widersetzt; also ohne die Fürsprache des Intellektuellen. Er spricht sogar von einer „priority of resistance and objection to subjection“.20 Das gilt nicht immer und überall, aber immer wieder in jener Tradition, in der sich Moten verortet: in der Black Radical Tradition.21 Sie zielt seit ihrem Beginn mit der europäischen Sklaverei in den Amerikas auf eine widerständige Sozialität, in der Sinnlichkeit theoretisch und das Denken ein sinnlicher Prozess geworden ist, und zwar im alltäglichen Leben statt in ausdifferenzierten Spezialbereichen der Gesellschaft. Und genau hier überschneidet sich die Black Radical Tradition mit dem, was Marx als Gesellschaft nach der Abschaffung des Privateigentums und damit dem Ende der Einschränkung aller Sinne auf den Sinn des Habens vorschwebt. In diesem Sinn fragt Moten in „The Case of Blackness“ rhethorisch: Was wäre „black social life“ anderes als das „fugitive being of ‚infinite humanity‘, or […] that which Marx calls wealth?“22 Dabei bezieht er sich auf jene Passage aus den Grundrissen, wo Marx den wahrlich vergesellschaften Reichtum vom finanziellen, stets nur wenigen zur Verfügung stehenden Reichtum unterscheidet:
„In fact aber, wenn die bornierte bürgerliche Form abgestreift wird, was ist der Reichtum anders, als die im universellen Austausch erzeugte Universalität der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse, Produktivkräfte etc. der Individuen? […] Das absolute Herausarbeiten seiner schöpferischen Anlagen, ohne andre Voraussetzung als die vorhergegangene historische Entwicklung, die diese Totalität der Entwicklung, d. h. der Entwicklung aller menschlichen Kräfte als solcher, nicht gemessen an einem vohergegebenen Maßstab, zum Selbstzweck macht? Wo er sich nicht reproduziert in einer Bestimmtheit, sondern seine Totalität produziert? Nicht irgend etwas Gewordnes zu bleiben sucht, sondern in der absoluten Bewegung des Werdens ist?“23
Anders als Marx lokalisiert Moten den Zustand, in dem die Sinne und das Denken sich so voll und radikal entfaltet haben, dass sie nicht mehr unterschieden werden können, weil auch das Schreien, Riechen oder Singen ein Denken ist und das Denken eine sinnliche Alltagspraxis, nicht ausschließlich in der Zeit nach der Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft – dieser Aspekt steht im Zitat aus den Grundrissen im Zentrum – oder nach dem Ende des Privateigentums, wie Marx in den ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 schreibt. Vielmehr findet Moten diesen Zustand in einer Mikro-Version beispielsweise auch schon in Aunt Hesters oder Abbey Lincolns Schreien-Sprechen-Singen. Ihr ästhetischer Widerstand eröffnet kein Danach, sondern im Jetzt eine ansteckende Intensität der Widersetzlichkeit, die ihre Stärke aus einer Sozialität und einem Gemeinsamen im Sinn der Commons bezieht. Mit Marx könnte man auch von einem Reichtum jenseits des Warentausches sprechen, an dessen Stelle nach dem Ende der bürgerlichen Gesellschaft nicht die atomisierten Einzelsubjekt übrig bleiben, sondern ein Raum des „universellen Austausch[es]“ tritt, wie die oben aus den Grundrissen zitierte Passage deutlich macht. Genau diesen universellen Austausch, der dem Warenaustausch diametral entgegengesetzt ist, weil er weder über ein gleichmachendes Tauschmedium vermittelt ist noch am Abschöpfen des Mehrwerts hängt, sondern an den Beziehungen in einer niemandem gehörenden Sozialität, bezeichnet Moten bewusst als „exchange before exchange“ oder „anticipatory sociality and history“.24
Das ist nicht nur ein Einspruch gegen das Aufschieben radikaler Alternativen bis nach dem Ende der bürgerlichen Gesellschaft. Vielmehr rückt Moten damit auch die sprechenden Waren, von denen oben die Rede war, in ein neues Licht. Wenn Marx über sie sagt, sie hätten keinen intrinsischen Wert, sondern nur einen im Austausch erworbenen und sich fortlaufend zufällig verschiebenden, den sie nicht kontrollieren können, habe er nur zur Hälfte recht. Denn: Ja, die sprechenden Waren stehen untereinander und mit allen anderen Waren erzwungenermaßen im Warenaustausch. Aber auch nein: Die sprechenden Waren gehen nicht im Warentausch auf. Vielmehr haben sie von Anfang an auch einen Austausch der Sozialität und der Sorge umeinander aufgebaut, der sich dem Warentausch entzieht. Auch eine Sozialität, die aus der Perspektive des possessiven, vertragsrechtlichen Subjekts des Westens, das dadurch definiert ist, dass es sich selbst und andere Besitztümer ganz für sich alleine hat bzw. haben will, kaum verständlich zu machen ist. Moten spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „possessive subjectivity“, die sich als Aggression gegen und zur Kontrolle von Relationen des freien im Sinn von nicht gleichmachenden Austäuschen formiert habe.25 Das lässt an die Thesen von Silvia Federici denken, die kapitalistische Gewalt generell als Reaktion auf Praktiken des Gemeinsamen im Sinn der Gemeingüter versteht.26
Folgt man Moten, so entfaltet sich der volle, sinnlich-soziale Reichtum von Douglass’ Tante Hester oder der von Abbey Lincoln nicht – wie Marx meint – nach, sondern neben dem Horror, ja inmitten des Terrors, mit dem die bürgerliche, kapitalistische Gesellschaft auf genau diesen Reichtum und seine Widerständigkeit reagiert. Mit dieser These – oder vielleicht eher Perspektive – macht Moten das Leiden und Terrorisiertwerden nicht in Adornos Sinn zum Zentrum des Denkens. Er versteht sich nicht als Sprachrohr der Erniedrigten und Ausgebeuteten; strebt nicht danach, ihnen so viel Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wie es mit den Mitteln der repräsentativen Sprache möglich ist, letztlich aber nur scheitern kann. Moten will den widerständigen Reichtum des sinnlich Kommonalen jenes universellen Austausches ins Bewusstsein heben, der schräg zum Warentausch und durch ihn hindurch verläuft. Das ist umso wichtiger, als die bürgerlich-kapitalistische Tauschlogik und auch noch die sich daran abarbeitende Kritik es fast unmöglich machen, den widerständigen Reichtum zu sehen oder zu hören und immer wieder in stereotypisierte (Sprach-)Bilder von den Erniedrigten und Ausgebeuteten verfallen.
Diese Perspektive hat, wenn man sie auf Adorno richtet, Folgen sowohl für die Ästhetik als auch für das selbst- und gesellschaftskritische Denken; und erst recht für die Frage, ob und wie sie aufeinander bezogen werden können bzw. einander auch dort durchqueren, wo es kein Bewusstsein davon gibt. Zwar sind sich Moten und Adorno im zuletzt genannten Anliegen eines von der Ästhetik – weniger im Sinn der Kunst als der Sinnlichkeit – inspirierten Denkens und Schreibens, das Adorno hauptsächlich als Essay fasst, sehr nahe. Doch Moten fügt zu Adornos Überlegungen in Sachen negativ dialektisches Denken, aber auch bezüglich der Ästhetik jeweils eine beinah winzige Verschiebung hinzu. Sie ist – um es mit Adorno zu sagen – allerdings jeweils eine Differenz ums Ganze. In beiden Bereichen und nicht zuletzt in ihren Übergängen und Durchdringungen geht es um das, was Moten in einer Fußnote einmal die „affirmative force of ruthless negation“ genannt hat.27
3. Die affirmative Kraft der negativen Dialektik
Adornos negative Dialektik wurde immer wieder im Sinn dessen verstanden, was er in der Ästhetischen Theorie über die mythologische Figur der Penelope sagt; nämlich dass sie nachts auftrennt, was sie am Tag gewoben hat.28 Aufs Denken umgelegt hieße das, dass jeder Gedanke, wenn er denn konsequent ist, sich wieder auseinandernehmen und kritisieren oder – wie es in einer mit der negativen Dialektik immer wieder in Verbindung gebrachten Denktradition heißt – dekonstruieren muss. Während insbesondere die Derrida’sche Dekonstruktion in diese gänzlich unhistorische Richtung drängt (im Sinn einer universellen Ethik des Denkens, das nie mit sich zufrieden sein oder werden darf), so weist Adorno doch unermüdlich darauf hin, dass eine solche Dekonstruktion nicht immer und überall gleich nötig ist, sondern nur so lange und dort, wo das Denken auf Widersprüche in sich selbst bzw. in der Wirklichkeit stößt, die nicht sein müssten.
Sehr klar hat das Alex Demirović in seiner Auseinandersetzung mit Adornos Negativer Dialektik artikuliert, indem er zuerst einmal klarstellt, dass die negative Dialektik nicht immerwährende Paradoxe adressiert, sondern die Widersprüche einer bestimmten Gesellschaftsformation: die der bürgerlich-kapitalistischen. In ihr werden beispiels- und zentralerweise Gleichheit und Freiheit permanent beschworen und zugleich fortlaufend und systematisch missachtet, bewusst außer Kraft gesetzt oder in extra-legale Räume ausgelagert, wie man derzeit an den Grenzen Europas mit kaum überbietbarer Deutlichkeit sehen kann. Es ist und bleibt, in Demirović‘ Worten, „ein Widerspruch der bürgerlichen Gesellschaft, dass es ihr nicht möglich ist, sich als eine rassistische, antisemitische, sexistische, gewalttätige Gesellschaft zu denken. Wenn es solche entsprechenden Denkweisen, Einstellungen oder Praktiken gibt, dann werden sie als Ausreißer, Versehen, Missverständnisse, Abweichungen, Irrationalitäten einzelner Personen gedeutet“.29 Hier handle es sich „nicht einfach [um] logische Probleme, sondern [sie] sind objektiv Resultat einer bestimmten Gesellschaft.“30
Solange es derartige Widersprüche gibt, aber auch nur so lange, ist negative Dialektik gefragt. Sie erforscht immer wieder das, was sich der Totalisierung, Vereinheitlichung und Schließung zu einer gesellschaftlichen Totalität so grundsätzlich, aber auch notwendig, entzieht, dass man nicht von einem bloßen Ausrutscher sprechen kann. Vielmehr gehört beispielsweise die mörderische Gewalt der europäischen Außengrenze systematisch zum kapitalistischen Europa. Wir wollen genau sie. Demirović zufolge ist die so verstandene negative Dialektik auch alles andere als resignativ.31 Statt zu resignieren habe sie sich vielmehr der Frage verschrieben, warum es zu diesen Widersprüchen kommt und wie man sie reduzieren und hinter sich lassen könnte, „so dass sie sich überhaupt gar nicht mehr stellen: Negation der Negation, die negativ bleibt? Eine versöhnte Menschheit wäre über Dialektik hinaus“32 und lebt also von einem Anspruch, der alles andere als resignativ ist.
So dargestellt, besteht das durchaus affirmative Element in Adornos negativer Dialektik darin, durch die Analyse von Widersprüchen ihrem Verschwinden ebenso zuzuarbeiten wie dem Verschwinden der gewaltvollen Gesellschaftsformation, deren Ausdruck sie ist. Und Adornos Weigerung, angesichts partikularer Elemente des Richtigen oder zumindest: des weniger Falschen darauf zu beharren, dass es als Teil eines immer noch dominanten falschen Ganzen allenfalls halb richtig sein kann, ist unter dieser Perspektive keine negative Theologie – diese findet man m. E. schon eher in der Dekonstruktion – Miesepetrigkeit oder Resignation. Es ist schlicht eine Absage an die Bereitschaft, sich mit (zu) wenig zufrieden zu geben. Ein unnachgiebiges Festhalten am vollen Glück, könnte man vielleicht auch sagen.
Motens Verständnis der „affirmative force of ruthless negation“ ist kaum von diesem anti-resignativen Verständnis negativer Dialektik zu unterscheiden – zugleich aber fast vollkommen. Oder anders gesagt: An diesem Punkt vollzieht Moten eine jener verblüffend minimalen, zugleich aber radikalen Umwendungen einzelner Formulierungen Adornos, auf die ich eingangs hingewiesen habe. Gerade im Angesicht des Terrors um sie herum, so muss man Motens Position wohl verstehen, ist der Widerstand von Aunt Hester und vieler anderer nicht einfach nur einer der sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein oder ohnmächtig im Angesicht all dessen, was sie nicht verhindern oder verändern kann. Sie ist vielmehr schlüssige Kritik und nicht zuletzt Ausdruck einer gelungenen Form von sozialen Beziehungen, die den Widerstand zugleich ermöglichen bzw. ihn tragen und auch dadurch nicht reduziert oder gar vernichtet werden, dass Protest scheitert. Vielmehr bleibt sie bestehen und richtig.33 Wenn Moten vor diesem Hintergrund vor der „dialectical snare of a freedom that exists only in unfreedom“ warnt,34 so scheint er Folgendes vor Augen zu haben: Die Tatsache eines lokal oder temporär Richtigen in einem Ozean des Falschen bedeutet nicht, dass das Lokale oder Temporäre deshalb nur halbrichtig ist, sondern vielmehr, dass der Ozean das Problem ist. Gerade durch das Richtige – in all seiner meist ja durchaus gewußten lokalen oder temporalen Beschränktheit – wird das, was ich als den Ozean des Falschen bezeichnet habe, als falsch kenntlich, aber nicht das Richtige falsch. Bei Adorno hingegen gibt es kein wirklich oder vollends Wahres im Falschen.35
Man könnte die Position von Moten vielleicht auch so verdeutlichen: Es geht nicht darum, die wenigen Pluspunkte (des Richtigen) und unüberschaubaren Minuspunkte (des Falschen) einfach zu addieren und damit – angesichts der zu Aunt Hesters Zeiten nicht weniger als heute vorherrschenden Verhältnisse – die volle Punktzahl zu verfehlen. Gegen genau diese Verrechnung kommt es darauf an, beides – das Richtige und das Falsche – nebeneinander bestehen zu lassen, und zwar als ein Verhältnis von Kritik und Widerstand. Die Sozialität eines „exchange before exchange“ – und von ihr her und zu ihr hin agiert und redeschreit Douglass’ Aunt Hester – bleibt richtig, auch wenn der Terror gegen Schwarze Menschen bis heute weitergeht.
Genau diese Sozialität ist der Feind, auf den geschossen wird, wenn, wie bis heute so häufig, wegrennende Schwarze Jungen von Polizisten in den Rücken geschossen werden. Deshalb ist es konsequent, wenn Moten in einer Diskussion zum Thema „Do Black Lives Matter?“ diese Sozialität „Black life“36 nennt und sie mit Bezug auf die polizeilichen Ermordung von Michael Brown (9.8.2014 in Ferguson, Missouri) und Eric Garner (17.7. 2014 in Staten Island, New York City) folgendermaßen charakterisiert:
„We need to understand what it actually is that the state is defending itself from and I think that in this respect, the particular instances of Michael Brown’s murder and Eric Garner’s murder are worth paying some attention to because what the drone, Darren Wilson [= der Polizist, der Michael Brown erschoß, RS], shot into that day was insurgent Black life walking down the street. I don’t think he meant to violate the individual personhood of Michael Brown, he was shooting at mobile Black sociality walking down the street in a way that he understood implicitly constituted a threat to the order he represents and that he is sworn to protect. Eric Garner on the every day basis initiated a new alternative kind of market place, another mode of social life. That’s what they killed, ok? So when we say that Black lives matter I think what we do sometimes obscure is the fact that it’s in fact Black life that matters. That insurgent Black social life still constitutes a profound threat to the already existing order of things. And part of the reason that it constitutes such a profound threat is its openness, its unfixity, the fact that anybody can claim it, and the fact that it can claim anybody.“37
4. Um die Barbarei zu verstehen, bedarf es der irrsten Schönheit
Selbst Adorno denkt manchmal in diese Richtung und d. h., gegen das Addieren von vielen Minus- zu dürftigen Pluspunkten. Etwa in einer Auseinandersetzung mit Platos Konzeption des Schönen in den Dialogen bzw. Polylogen Symposium und Phaidros, die er in seinen Vorlesungen zur Ästhetik von 1958/59 führt.38 Man kann Adornos Überlegungen zu Plato in dieser Vorlesung nicht anders denn als eine klare Absage an die Vertagung oder Nicht-Anerkennung alles Richtigen bis zum Ende der Geschichte verstehen. Adorno verteidigt hier nicht nur einen von Sinnlichkeit und Glück unabtrennbaren Schönheitsbegriff. An Plato fasziniert ihn vor allem der Vorschlag, Schönheit weder als Eigenschaft noch als Besitz zu denken, sondern als eine zum Bersten gespannte Dynamik des Strebens und Sehnens, welches gleichzeitig Glück bereitet und Schmerz zufügt.39
Wo Adorno diese Konzeption der Schönheit auf Kunstwerke bezieht, ist er fasziniert davon: „dass das Kunstwerk eigentlich das Glück dadurch bereitet, dass es ihm gelingt, einen [...] in sich hineinzuziehen [...] und dass es einen dadurch allerdings der entfremdeten Welt, in der wir leben, entfremdet, und durch diese Entfremdung des Entfremdeten die Unmittelbarkeit oder das unbeschädigte Leben selber eigentlich wiederherstellt.“ Mit anderen Worten: Es geht es um eine Glückserfahrung, auf deren Basis das Ausmaß der Beschädigung um das Glück herum überhaupt erst fassbar wird. Darüber hinaus hat die so produzierte Spannung auch zum Resultat, dass Sehnsucht nach viel mehr von dem erfahrenen Glück entfacht wird. Adorno scheint hier zu spüren, wie sehr man die Glückserfahrung braucht, um die Entfremdung als Entfremdung und nicht einfach nur als Normalität wahrnehmen zu können. Und es scheint mir angesichts des immer wieder erhobenen Vorwurfs des unnötigen Negativismus Adornos – ich komme auf ihn gleich noch ausführlicher zurück – besonders wichtig hervorzuheben, dass dieses Glück der Entfremdung von der Entfremdung kein halbes ist, nur weil es sich aus und in Spannung mit der Entfremdung entwickelt. Ich glaube, man kommt der Sache viel näher, wenn man sich Adorno’sches Glück mindestens so groß vorstellt wie die Entfremdung, die er mithilfe des Glücks von Kunstwerken zur Kenntlichkeit entstellt und so überhaupt erst wahrnehmbar macht.
Dieses Verständnis von Glück – sowohl bei Plato als auch Adorno mit der Wahrheit verschwistert – behauptet einen produktiven Zusammenhang zwischen wahrem Glück bzw. glücklicher Wahrheit einerseits und Verblendung andererseits. Nämlich einen Zusammenhang, wonach das wahre Glück die Entfremdung zur Kenntlichkeit entstellt. Und dieses Glücksverständnis impliziert auch, dass die Wahrheit zutage fördernde Glückserfahrung aufgrund ihrer Erschließung der Entfremdung gerade nicht weniger glücklich oder wahr wird.
Aber ein anderes – m. E. problematisches, weil unnötig negativistisches – Verständnis dieses Zusammenhangs findet sich bei Adorno freilich viel häufiger. Etwa wenn er in der Ästhetischen Theorie schreibt:
„Der Scheincharakter der Kunstwerke, die Illusion ihres Ansichseins weist darauf zurück, daß sie in der Totalität ihres subjektiven Vermitteltseins an dem universalen Verblendungszusammenhang von Verdinglichung teilhaben; daß sie, marxisch gesprochen, ein Verhältnis lebendiger Arbeit notwendig so zurückspiegeln, als wäre es gegenständlich. Die Stimmigkeit, durch welche die Kunstwerke an Wahrheit partizipieren, involviert auch ihr Unwahres; in ihren exponierten Manifestationen hat Kunst von je dagegen revoltiert, und die Revolte ist heute in ihr eigenes Bewegungsgesetz übergegangen“40
Hier ist die Wahrheit des Kunstwerks von seiner Unwahrheit nicht mehr zu unterscheiden. Das große Unwahre, das das Werk umgibt, reißt auch die viel fragilere Wahrheit mit sich, sodass auch am zur Wahrheit entstellenden Charakter gezweifelt werden muss. Aus einem Zusammenhang der erhellenden Entstellung ist einer der Ununterscheidbarkeit, wenn nicht der Überwältigung geworden. In genau diesem Sinn wurde auch Adornos Diktum, dass es keine wahres Leben im Falschen gebe, verstanden.41 Nicht der geringste Beitrag Motens zu einem neuen Verständnis von Adorno ist der, auf genau diesen Unterschied zwischen zwei Versionen des von Adorno behaupteten Zusammenhangs zwischen Wahrheit und Unwahrheit – und damit auch auf die „dialectical snare“, von der oben die Rede war – aufmerksam zu machen.
Dass der Terror der Gefolterten erst dort ganz verstanden wird, wo zugleich der Widerstand dagegen und die irre Schönheit dieses Widerstands anerkannt werden, behauptet nämlich auch Moten. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass Adornos Beschäftigung mit Platos Verständnis von Glück und Wahrheit dem sehr nahe kommt, was Moten in einer Diskussion mit Saidiya Hartmann bemerkt. Damit soll allerdings nicht nahegelegt werden, dass der Terror der Shoah, die im Zentrum von Adornos Denken steht, mit dem Terror der Versklavung gleichgeschaltet werden kann, aus dessen Kontext heraus Moten schreibt. Nicht umsonst betonen beide, Adorno wie Moten, die irreduzible Singularität von Barbarei, die jeder Vergleichbarkeit spottet. Hier also ist der Hinweis von Moten, den ich als Kommentar zu Adorno lese: „anybody who thinks they can come even close to understanding how terrible the terror has been without understanding how beautiful the beauty has been against the grain of that terror, is wrong. There is no calculus of the terror that can make a proper calculation without reference to that which resists it. […] So this is the key thing to me.“42
Die große Differenz zwischen Adorno und Moten scheint mir also nicht darin zu liegen, dass der eine mehr zur Negation und der andre zur Affirmation neigt. Zumindest dann nicht, wenn man bei Adorno selbst die diesbezüglichen Ambivalenzen, ja die zur Kenntlichkeit entstellende Rolle eines ohne Einschränkung affirmierten Glücks (mit Moten) zu sehen gelernt hat. Und wenn man davon abgekommen ist, den engen Zusammenhang zwischen Wahrheit und Unwahrheit oder Freiheit und Schuld, welche Adorno der Kunst an vielen Stellen in die Schuhe schiebt, im Sinn eines vom Falschen überdeterminierten Verhältnisses zu lesen. D.h. eines Verhältnisses, in dem die Negation gegenüber der Affirmation immer das entscheidende letzte Wort behalten muss.43
Eine tatsächliche und tiefgreifende Differenz tut sich zwischen Adorno und Moten allerdings mit Blick auf ihre Kunsttheorien auf. Hier zeigt sich, dass Adorno am Begriff einer autonomen Kunst festhält, die seit ihrem Beginn im 18. Jahrhundert mit der kapitalistischen Arbeitsteilung und dem bürgerlichen Profit aus dieser Arbeitsteilung auf das Engste verbunden ist.44 Ja Adorno hält trotz aller unablässigen Analyse und Kritik an den Widersprüchen dieses Kunstbegriffs und der mit ihm verbundenen Autonomie an ihm fest. Adorno vertritt somit einen Kunstbegriff, der sich wesentlich dadurch am Leben erhält, dass die einzelnen Werke ihn fortlaufend kritisieren, sich gegen ihn entwickeln wie man insbesondere an der Geschichte der Avantgarden sehen kann.
Vor diesem Hintergrund beklagt Adorno die Bewegungen der Avantgarden gegen die Autonomie nicht als Niedergang oder als das x-te Ende der Kunst. Er verteidigt sie als plausible Entwicklungen, wo immer die Gefahr besteht, dass Kunst zu einer „Art ‚Naturschutzpark der Kultur‘“ entwertet wird.45 Das macht einmal mehr deutlich, dass Adorno sich an einen Kunstbegriff klammert, der sich wesentlich dadurch am Leben erhält, dass zumindest die gelungenen Werke ihn fortlaufend kritisieren. Kunstwerke, die Adorno als wahre auszeichnet, sind demnach solche, die an ihren eigenen Überlebensfäden zerren, als wären es Fesseln und sich dennoch an den Fesseln festhalten. Je autonomer sich das Feld der Kunst gestaltet, desto anti-autonomer müssen die einzelnen Kunstwerke demzufolge sein, aber auch umgekehrt. Nur so können sie ihre Autonomie bewahren, welche seitens Adorno nie wirklich in Frage gestellt wurde.
Dass Adorno diese fortlaufenden Bewegungen der Kunst der – und dieses Wort fällt bei Adorno bezeichnender Weise kaum: westlichen – Moderne gegen sich selbst zum Zentrum des autonomen Werks macht, verdeutlicht nur umso krasser, dass er sich eine Alternative dazu oder zumindest einen Weg daneben überhaupt nicht vorstellen kann. Mit anderen Worten: Der Kunstbegriff, der westlichen, im 18. Jahrhundert begonnen Moderne ist für Adorno gleichbedeutend mit Kunst as such und im Allgemeinen. Anstatt den Blick beispielsweise auf nicht-westliche oder vor-kapitalistische Kunstkonzepte zu werfen, die damit keineswegs per se als grundsätzlich unproblematisch hypostasiert werden sollen, kann sich Adorno nur ein Festhalten am bürgerlich-kapitalistischen Kunstbegriff vorstellen, wenngleich so, dass er diesem Kunstbegriff ein unnachgiebiges Arbeiten gegen all seine Grundkonstanten verordnet. Und jene Kunst, die ebenso vehement gegen sich selbst ankämpft wie Adorno ihr gegenüber misstrauisch ist, vergöttert er als Inbegriff dessen, was als Kritik und Wahrheit überhaupt möglich ist. Das könnte auch der Grund dafür sein, dass Adorno – wie Moten sagt – durchaus Entscheidendes auch am Jazz wahrnimmt und trotzdem letztlich gänzlich taub bleibt. Trotzdem schreibt Moten: „I’m interested, here, in the insight Adorno’s deafness carries“.46
6. More Specifically: On Jazz. Eine andere Ästhetik der Moderne
Auch die meisten Verteidiger*innen des Jazz haben – oft sogar großes – Verständnis für Adornos Kritik am Beitrag des Jazz zur bürgerlichen Kulturindustrie. Wie insbesondere Moten und Okiji herausgearbeitet haben, ist diese Kritik allerdings auch ein Topos in der fälschlicherweise häufig damit verabschiedeten Kunst selbst und nicht weniger in zahlreichen Aussagen der Protagonist*innen des Jazz. So verweist Okiji beispielsweise auf Charles Mingus’ Komposition „Clown“ auf der gleichnamigen Platte, die davon handelt, dass das, was „above underground“, d. h. in der Kulturindustrie, von der Musik des zum Clown degradierten Musikers wahrgenommen wird, nichts mit dem underground zu tun hat, aus dem die Musik kommt, nämlich aus jener Sozialität des Singenschreiens, die Moten zufolge bei Aunt Hester einen ihrer Anfänge nimmt. „The clown has, according to Mingus, ‚all these wonderful things going on inside … all these greens and yellows, all these oranges.‘ […] At the end of the piece, in desperation, the clown takes his own life, which is met with raucous laughter. The audience is unable to recognize his blackness/humanity even in this extreme act.“47
Was Verteidiger*innen des Jazz wie Moten Adorno aber absprechen, ist das nötige Sicheinlassen auf die Bewegungsgesetze der Musik selbst, d. h. vor allem: auf ihre Nähen und Fernen zur europäischen Kunstmusik. Dabei kommt Moten Adornos so bekannten wie vernichtenden Invektiven gegen den Jazz so weit entgegen, dass einem beinah schwindelig wird: Ja, so auch Moten, diese Musik handle von nicht-autonomen Subjekten, von kastrierten Männern und von zu Dienstmädchen degradierten Frauen. Unfreiheit sei ihr Orgelpunkt; und das mit Grund. Denn die versklavten Männer, die diese Musik entwickelt haben, wurden in dem Sinn unablässig kastriert, als sie über Jahrhunderte zusehen mussten, wie ihre Töchter und Frauen von den weißen Besitzern fortwährend vergewaltigt wurden. Nicht davon zu singen wäre das endgültige Besiegeln der Unfreiheit. In Antwort auf Adornos Bemerkung in „Über Jazz“ „Psychologisch mag die Struktur des Ur-Jazz am ehesten an die des Vor-sich-hin-Singens der Dienstmädchen gemahnen“,48 antwortet Moten ebenfalls mit: Ja, so ist es. Jazz wurde erfunden von in abgründigsten Dienst genommenen Frauen. Aber nur, um dann einmal mehr auf das Singenschreien von Aunt Hester zu verweisen, von dem her sich die Black Radical Tradition im Allgemeinen und die des Jazz im Besonderen rekonstruieren lasse.49
Auf die servant girls – wie Adornos „Dienstmädchen“ ins Englische übersetzt wurden – kommt Moten in vielen Texten zurück.50 Unter anderem in einem, in dem es ihm um Adornos Auseinandersetzung mit der Schallplatte und dem Phonografen geht.51 Vor allem um die folgende Bemerkung in Adornos Text „Nadelkurven“:
„Männerstimmen sind besser wiederzugeben als Frauenstimmen. Die Frauenstimme klingt leicht schrill; daß nicht die Höhe als solche dem Grammophon widerstreite, beweist die adäquate Reproduktion der Flöte. Vielmehr bedarf die Frauenstimme, frei zu werden, der leibhaften Erscheinung des Körpers, der sie trägt. Sie eben tilgt das Grammophon und verleiht jeder Frauenstimme den Klang des Bedürftigen und Unvollständigen. Nur wo der Körper selber tönt, wo das Selbst, das das Grammophon meint, mit dessen Klang identisch ist, dort hat das Grammophon sein legitimes Geltungsbereich; daher Carusos unbestrittene Vormacht. Wenn der Klang […] wie in der Frauenstimme, des Körpers bedarf, wird die grammophonische Reproduktion problematisch.“52
Moten spielt diese These vom Problem der Frauenstimmen auf Schallplatten mit Blick auf Schönbergs Erwartung durch, genauer gesagt in Auseinandersetzung mit einer Aufnahme, in der Jessye Norman die Hauptrolle spielt und durch den Einsatz ihrer Stimme Adornos Thesen gleich mehrfach durcheinander bringe.53 Moten setzt dabei einmal mehr bei Adornos These an, im Jazz würde Unfreiheit nicht so sehr zur Darstellung gebracht als vielmehr willig akzeptiert;54 er sei eine Aufforderung zur Ein- und Unterordnung; der willfährige Vollstrecker der Barbarei. Das überzeugt Moten kaum. Vielmehr wendet er ein: Damit, dass im Jazz barbarische Formen der Unfreiheit verhandelt werden, und dass ihr Ende nicht falsch versprochen werde, könne für Adorno sicher kein Problem darstellen. Gerade Adorno habe doch wie kein anderer auf die Unfreiheit selbst noch in der Freiheit hingewiesen und jedes aktivistische Verkünden von Freiheit inmitten der Unfreiheit der gefährlichen Naivität geziehen. Genau in diesem Sinn müssten auch Adornos berechtigte Hinweise auf die Myriaden von Freiheitsberaubungen verstanden werden, die der Jazz verhandle. Und das wiederum bedeute, dass Adornos eigentliches Problem mit dem Jazz woanders liegen müsse als in einer ästhetischen Strategie, die Adorno in Bezug auf Kafkas oder Beckett offensiv verteidigt: nämlich das übertreibende Sichgleichmachen mit der Barbarei, die Mimesis ans Tote und Entfremdete.55 Genau in diesem Sinn handle ja auch der Jazz überzeugenderweise von nichts anderem als der Unfreiheit.
Aber Jazz tut noch mehr – und damit kommt Moten zum Kern von Adornos Ablehnung des Jazz. Denn in ihm artikuliere sich eine für Außenstehende schwer lesbaren Widerständigkeit. Genauer gesagt gehe es um eine Form von widerständiger Nicht- oder Anti-Subjektivität, ein bewusstes Sichzumobjektmachen(-lassen), die Adorno – ganz und gar ein Proponent der westlichen Aufklärung und ihres bürgerlich-possessiven Autonomieverständnisses – nicht habe vernehmen können. Es ist genau jene Sozialität der zu Waren Degradierten, die schon Marx nicht habe sehen und hören können.56 Eine Form der Sozialität, die allem voraus und zugrunde liege, was an Freiheit jenseits jenes autonomen im Sinn von: souveränen (Selbst-)Besitz-Individuums möglich sei; also jenseits eines Autonomie-Verständnisses, dem auch Adorno auf den Leim gegangen sei. Die von Moten gemeinte Sozialität hingegen lässt zu, ja fordert heraus, dass ein Subjekt, das dann eben gar kein nur durch sich selbst bestimmtes Subjekt mehr sein kann, sich der Unterstützung und Sorge der anderen anheimstellt, ja ausliefert, welche erfahrungsgemäß vor allem von jenen kommt, die in einer vergleichbaren Lage sind. Ein Subjekt, das sich von anderen bzw. einem Gefüge der wechselseitigen Unterstützung her versteht, anstatt triumphal einer heroischen Selbstgesetzgebung zu huldigen, und sich damit auch der Unterwerfbarkeit entzieht. In diesem Sinn schreiben Moten und Stefano Harney in ihrem Buch Undercommons, das der widerständigen Sozialität der Subalternen und ihrer erfinderischen Pflege der Gemeingüter gewidmet ist: „it’s about allowing subjectivity to be unlawfully overcome by others, a radical passion and passivity such that one becomes unfit for subjection [...].“57 Dieses soziale Gefüge verweist auf eine durchaus andere gelebte Utopie als jene von Adorno, der auch dort einem heroisch einsamen, autonomen Subjekt verpflichtet bleibt, wo er es passiv – aber eben selbstgenügsam allein – denkt; etwa an jener Stelle der Minima Moralia, wo es heißt: „auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen, ‚sein, sonst nichts, ohne alle weitere Bestimmung und Erfüllung‘“.58
Die gemeinte Sozialität artikuliert sich Moten zufolge im starken Timbre und in der Körperlicheit des Jazz, zumindest seit das servant girl Aunt Hester damit begonnen und ihre Zwangsservilität radikal durchbrochen habe. Zugleich sei es auch genau jene schrille Körperlichkeit der weiblichen Stimme, von der Adorno behaupte, sie sei für das Grammophon nicht fassbar sei. Das lässt Moten nicht nur vermuten, dass Adorno Angst vor dieser schrillen weiblichen Stimme habe und eigentlich ganz froh sei, dass sie bei Plattenaufnehmen meist herausgefiltert wird. Moten findet die unmögliche Frauenstimme durchaus auch in Schallplattenaufnahmen und verweist paradigmatisch auf die Aufnahme von Schönbergs Erwartung mit Jessye Norman in der Hauptrolle. Über sie schreibt er:
„Someday I’d like to be able to make somebody see and hear the objectional and ontological sociality of the black voice, where being black is only being black in groups, where not only the group of blacks but the group as such is given as an object of a specifically politicized fear and loathing precisely because of their collective and disruptive seeing. Adorno’s problem is not so much with disenfranchised subjectivity as with the abandonment of a specifically individualized subjection, the sidestepping of the dialectical snare of a freedom that exists only in unfreedom. […] certainly jazz moves within the history of a resistant, however commodified, objecthood, the history of an aggressive audiovisual objection that constitutes nothing other than the black and animating absent presence of Erwartung, the black thing that Adorno wouldn’t understand, that Norman’s objectional audiovisuality animates or reproduces with each encounter.”59
Wir haben es also mit einer Sozialität zu tun, die weder reine Subjekte noch Objekte produziert, sondern vielleicht Sobjekte, die zumindest seit der von Marx analysierten und bis heute anhaltentenden primitiven Akkumulation Teil der Warenwelt, aber auch zum immer singulären Widerstand dagegen nur dadurch fähig sind, dass sie sich von andren Sobjekten umsorgt und getragen wissen; von Sobjekten, die aus der Mitte der Warenwelt heraus ein anderes Mit- und Durcheinander aufrecht erhalten. Okiji weist zurecht darauf hin, dass Adorno ein derartiges Kaum-mehr-Subjeksein in manchen seiner Überlegungen, die vom Jazz weit entfernt sind, selbst gefordert, ja als Ziel einer befreiteren Menschheit artikuliert hat.60 Diesen durchaus bei Adorno zu findenden Überlegungen nach wäre die Utopie nicht ein autonomes Subjekt im vollen Besitz seiner selbst, sondern eines, das solchen Besitz mit Lust fahren gelassen hat und dann nicht mehr Subjekt genannt werden könnte – vor allem aber eines, das Element einer Vielheit geworden wäre und nicht mehr davon träumen würde, wunschlos einsam auf dem Wasser zu treiben.
Nimmt man diese Alternative zum autonomen als einem (selbst-)besitzenden Subjekt ernst, dann fällt auch ein schräges Licht auf die von Adorno gegen alle Selbsteinwände verteidigte Autonomie des Kunstwerks. Die Kritik bzw. Verabschiedung einer vom Rest der Gesellschaft abgetrennten, autonomen Sphäre der Kunst wäre gefragt. An die Stelle oder zumindest an die Seite des in sich stehenden autonomen Werks müßten ästhetische Praktiken treten, die sich als Modi(-fikationen), ein gemeinsames gesellschaftliche Leben zu führen, verstehen; als Teil des „social life“.61 Moten spricht auch von einer „invocation of a necessarily social aesthetic, a black aesthetic and sociality“.62 Er beruft sich dabei u. a. auf die Bemerkungen von Cecil Taylors in einem Gespräch zwischen Ad Reinhard, Cecil Taylor, Albert Ammons und Piet Mondrian über Blackness, in dem Taylor von seiner Musik als „way of living“ spricht und u. a. sagt:63
„western art is involved and has been involved with one perspective, one idea, one representation of one social-racial entity and aesthetic; and I’m saying that I must be aware of that, in what that has meant to black men or to the Indians. I have to be aware of the social dynamics of my society in order to function. I don’t only have a responsibility to myself, I have a responsibility to my community.“64
Die so gefasste ästhetische Theorie einer Sozialität, in der Kunst ein Gemeingut – ein common – ist, fragt nicht, ob und wie Kunst mit ihrem ganz Eigenem – mit ihrem Eigenbesitz – von möglichst weit Außen in die Gesellschaft eingreifen kann. Sie fragt vielmehr, welche immer auch sinnlich geformten gesellschaftlichen Praktiken in Opposition zu welchen anderen stehen. Welche im Kommonalen lebende ästhetische Formen der nicht weniger alltäglichen Ästhetik der Barbarei oder der alltäglichen Gleichschaltung entgegen gehalten werden können. Aus einem genau solchen Ästhetik-Verständnis heraus erklärt sich Moten zufolge der Jazz: „It is from and as a sensual commune, from and as an irruptive advent, at once focused and arrayed against the political aesthetics of enclosed common sense, that Taylor’s music […] emerges.“65 Fast wie Adorno – wenn man an dessen These über ästhetischen Formen als sedimentierten Inhalten denkt –,66 aber eben nur fast, spricht Moten im Zusammenhang der sensual commune dann auch von einem “social life of forms“.67 Hier haben sich nicht Formen aus gesellschaftlichen Inhalten heraus verfestigt und autonomisiert, sondern die Formen sind Teil der Dynamik eine lebendigen Sozialität. Von ihr aus müsste eine Ästhetik nach Adorno denken; eine Ästhetik, die sich der Selbstregierung durch das Versprechen der Autonomie, des autonomen Selbstbesitzes, der seit dem Beginn der bürgerlichen Ästhetik Hochzeit feiert und sich bis heute auf dem Weltmarkt der Kunst als alternativlos gebärdet, widersetzen möchte.68
Footnotes
1 Moten bekennt sich seit seiner Monografie In the Break. The Aesthetics of the Black Radical Tradition (Minneapolis und London: University of Minnesota Press 2003) zur Black Radical Tradition, wie Cederic Robinson sie auf der Grundlage einer langen Tradition Schwarzen Widerstands rekonstruiert hat: Cederic Robinson, Black Marxism. The Making of the Black Radical Tradition. Foreword by Robin D.G. Kelley with a new preface by the author, North Carolina: University of North Carolina Press 2000.
2 Vgl. dazu Enzo Traverso, Left-Wing Melancholia. Marxism, History and Memory, New York: Columbia University 2017, insbes. den Abschnitt „A Missed Dialogue“, S. 166-174.
3 C. L. R. James, Black Jacobins. Toussaint L’Ouverture and the San Domingo Revolution. Second Edition, New York: Vintage Books 1989.
4 Allerdings gibt es auch offenkundige theoretische Differenzen zwischen Adorno und James. In diesem Sinn schreibt Traverso (a.a.O., 173): „Differently from Adorno […] he [= James, RS] did not conceive the dialectic of Enlightenment only as unfolded domination but also as a process of conflicts and struggles. Confronted with the reality of fascist counter-Enlightenment, he defended a form of radical Enlightenment and radical cosmopolitanism … of ‚universalism from below‘. We cannot ignore the different positions of Adorno and James at the moment of their missed dialogue, a difference that could be related to the crossroad of the opposed paths of the Jewish-German exile and the Black Atlantic.“
5 Beispielhaft für einen trotz aller Kritik positiven Adorno-Bezug seitens post- und dekolonialer Theoretiker*innen sind: Asha Varadharajan, Exotic Parodies: Subjectivity in Adorno, Said, and Spivak, Minneapolis: University of Minnesota Press 1995; Antonio Y. Vázquez-Arroyo, „Universal history disavowed: on critical theory and postcolonialism“, in: Postcolonial Studies, 11:4, 2008, S. 451-473; Keya Ganguly, „Adorno, authenticity, critique“, in: Crystal Bartolovich und Neil Lazarus (Hg.), Marxism, Modernity and Postcolonial Studies, Cambridge: Cambridge University Press 2009, S. 240-256; Namita Goswami, „The (M)other of All Posts: Postcolonial Melancholia in the Age of Global Warming“, in: Critical Philosophy of Race 1, No 1, 2013, S. 104-120; Fumi Okiji, Jazz as Critique. Adorno and Black Expression Revisited, Standford: Standford University Press 2018. Sehr kritische Kommentare zu Adornos Schweigen über Kolonialismus und Rassismus finden sich u. a. bei: Espen Hammer, Adorno and the Political, London: Routledge 2006, S. 5; Fadi A. Bardawil, „Césaire with Adorno: Critical Theory and the Colonial Problem“, in: The South Atlantic Quarterly 117, 4, 2018, S. 773-789.
6 Moten, In the Break, a.a.O., S. 256; Asha Varadharajan, Exotic Parodies: Subjectivity in Adorno, Said, and Spivak, a.a.O.
7Dass sich diese beide Formen des kritischen Denkens nur schwer vereinen lassen, habe ich an anderer Stelle diskutiert: Ruth Sonderegger, „Essay und System“, in: Richard Klein, Johann Kreuzer und Stefan Müller-Doohm (Hg.), Adorno Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart und Weimar: Metzler 2011, S. 427-430.
8 Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band, Berlin: Dietz Verlag 1962, S. 85 f.
9 Ebenda, S. 97.
10 Ebenda, S. 86.
11 Ebenda, S. 97 f.
12 Das ist durchaus auch als Kritik an Marx zu verstehen, der sich sprechende Waren offenbar genauso wenig vorstellen konnte bzw. wollte wie die meisten Marx-Leser*innen bis heute; und dies der Tatsache zum Trotz, dass Marx an manchen Stellen – etwa im Kapital-Kapitel über die primitive Akkumulation – die Sklaverei durchaus thematisiert. Wenn Marx die kapitalistische Produktionsweise in ihrem vollen Umfang verstehen hätte wollen, dann – so etwa auch die Kritik von Robinson (vgl. Fn. 1) – hätte er den Blick stärker auf das von ihm so genannte Lumpenproletariat, auf die Reproduktionsarbeit und vor allem auf das System der Versklavung lenken müssen. Nur unter dieser Bedingung hätte er vielleicht ein Sensorium für die sprechenden Waren entwickeln können. Zu einem derart umfassenden Verständnis des Kapitalismus als Vergesellschaftungs- statt lediglich als Produktionsweise vgl. Sonja Buckel und Lukas Oberndorfer, „Dirty Capitalism“, in: Krisis. Journal for Contemporary Philosophy, special issue: Marx from the Margins. A Collective Project from A-Z, No. 2, 2018: https://krisis.eu/dirty-capitalism/
13 Moten spricht in diesem Zusammenhang auch von Marx’ Obsession für das Eigene und Eigentliche, the proper, das durch die Sozialität der sprechenden Waren in Frage gestellt werde. Moten stellt auch eine Verbindung mit diesem proper und dem Subjektbegriff her, das durch Besitz – property – definiert ist und von dem noch die Rede sein wird. Vgl. Moten, In the Break, a.a.O., S. 12 f.
14 Karl Marx, „Ökonomisch-philosophische Manuskripte (1844), in: Karl Marx und Friedrich Engels, Werke. Ergänzungsband, Berlin: Dietz 1981, S. 465-588, hier S. 540. Moten zitiert diese Stelle a.a.O., S. 11.
15 Frederic Douglass, „Narrative of the Live of Frederic Douglass, An American Slave” in: Frederic Douglass and Harriet Jacobs, Narrative of the Life of Frederic Douglass & Incident in the Life of a Slave Girl. Written by Herself, New York: The Modern Library 2000, S. 1-119, hier S. 21.
16 Ebenda, S. 22.
17 Ebenda, S. 27 f.
18 Mit dieser These negiert Moten keineswegs, dass die historischen und politischen Kontexte dieser Performances von Schreiensingen durchaus verschieden sind. Es geht ihm mit ihrer Verknüpfung vielmehr darum anzudeuten, welche bis heute andauernde und sich fortlaufend transformierende Traditionslinie einer aisthetischen Sozialität Schwarze Künstler*innen im Ausgang von Aunt Hester entwickelt haben. Vgl. Moten, In the Break, a.a.O., S. 22.
19 Karl Marx, „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung“, in: Marx/Engels, Werke Bd. 1, Berlin: Dietz Verlag 1988, S. 378-391, hier S. 385. Bei Adorno findet sich freilich öfter die Rede vom leidenden Wesen.
20 Ebenda, S. 12.
21 Cederic Robinson, der dieser Tradition die erste Monografie gewidmet hat (vgl. Fn. 1) sieht den wesentlichen Unterschied zwischen dem westlichen und dem Black Marxism darin, dass letzterer immer von vom popularen widerständigen Handeln und Denken ausgegangen sei; dass auch seine großen Intellektuellenfiguren wie C.L.R. James, W.E.B. Du Bois oder Richard Wright sich immer von dieser popularen Intellektualität und Sozialität her verstanden hätten.
22 Fred Moten, „The Case of Blackness“, in: Criticism, Vol. 50, No. 2, 2008, S. 177-218, hier S. 214.
23 Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, in: Marx/Engels, Werke Band 42, S. 395 f.; Moten, „The Case of Blackness“, a.a.O., S. 214.
24 Moten, In the Break, a.a.O., S. 10.
25 Ebenda, S. 12.
26 Silvia Federici, Caliban and the Witch: Women, the Body and Primitive Accumulation, Brooklyn/ New York: Autonomedia 2004.
27 „How does this field of convergence, this ensemble, work? By way of the affirmative force of ruthless negation, the out and rooted critical lyricism of screams, prayers, curses, gestures, steps (to and away) – the long, frenzied tumult of a nonexclusionary essay.“ Fn. 1 in Moten, In the Break, a.a.O., S 255.
28 Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1973, S. 278.
29 Alex Demirović, „Die Selbstreflexion des Marxismus. Fünfzig Jahre Negative Dialektik“, in: Prokla, Heft 184, 46. Jahrgang, 2016, Nr. 3, S. 459-476, hier S. 469.
30 Ebenda, S. 474.
31 Vgl. Ebenda, S. 471.
32 Ebenda, S. 474.
33 Vgl. zur Bedeutung solcher Sozialität und warum sie auch durch politische Niederlagen nicht verschwindet Bini Adamczak, Beziehungsweise Revolution. 1917, 1968 und kommende, Berlin: Suhrkamp 2017.
34 Fred Moten, „The Phonographic Mise-En-Scène“, in: Moten: Black and Blur. Consent not to be a single being, Durham: Duke University Press 2017, S. 118-133, hier S. 133.
35 Vgl. Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Gesammelte Schriften 4, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997, S. 43.
36 Die soziale Bewegung „BlackLivesMatter“ entstand 2012, nachdem der 17-Jährige Tryvon Martin ermordet und sein Mörder freigesprochen worden war. Vgl. „All #BlackLivesMatter. This is Not a Moment, but a Movement“, auf: http://blacklivesmatter.com/about/ [8.4.2020]
37 „Do Black Lives Matter? Robin D.G. Kelley and Fred Moten in Conversation“, auf: https://vimeo.com/116111740 [8.4.2020]
38 Theodor W. Adorno, Ästhetik (1958/59), hg. von Eberhard Ortland, Nachgelassene Schriften, Abteilung IV, Band 3, Frankfurt am Main, Suhrkamp 2009.
39 Ebenda, S. 161 f.
40 Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 252.
41 Adorno, Minima Moralia, a.a.O., S. 43.
42 Fred Moten und Saidiya Hartmann, „To refuse that which has been refused to you“, in: The Chimurenga Chronic, October 2018: https://chimurengachronic.co.za/to-refuse-that-which-has-been-refused-to-you-2/
43 Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass Moten – und in ähnlicher Absicht auch Okiji (a.a.O) auch immer wieder affirmativ genau jene Stelle aus Adornos Ästhetischer Theorie zitiert (S. 252), die ich oben als Beleg für einen falschen, ja totalitär gleichmachenden Negativismus ins Feld geführt habe.
44 Näher ausgeführt habe ich das in: Ruth Sonderegger, „Kants Ästhetik im Kontext des kolonial gestützten Kapitalismus. Ein Fragment zur Entstehung der philosophischen Ästhetik als Sensibilisierungsprojekt“, in: Burkard Liebsch (Hg.), Sensibilität der Gegenwart. Wahrnehmung, Ethik und politische Sensibilisierung im Kontext westlicher Gewaltgeschichte. Sonderheft 17 der Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, Hamburg 2018, S. 109-125.
45 Adorno, Ästhetik (1958/59), a.a.O., S. 83.
46 Moten, In the Break, a.a.O., S. 179.
47 Okiji, S. 3. Vgl. dazu auch Kronfelds Bemerkungen über die Thematisierung der Erwartungen der weißen Kulturindustrie in Praktiken des Jazz: Maya Kronfeld, „The philosopher’s bass drum. Adorno’s jazz and the politics of rhythm“, in: Radical Philosophy, Autumn 2019, S. 34-47, hier S. 36. Online auf: https://www.radicalphilosophy.com/wp-content/uploads/2019/09/rp205_kronfeld_jazz.pdf
48 Adorno, „Über Jazz“, in Ders.: Gesammelte Schriften Band 17, S. 74-108, hier S. 82 f.
49 Vgl. Moten, In the Break, a.a.O., S. 180.
50 Sehr ausführlich in einem Aufsatz, in dem Moten sogar den Titel von Adorno entführt: „Sonata Quasi Una Fantasia“, in Fred Moten, Black and Blur, a.a.O., S. 40-65, wo allerdings Glenn Goulds Umgang mit servant girls im Zentrum steht.
51 Moten, „The Phonographic Mise-En-Scène“, in: Moten: Black and Blur. Consent not to be a single being, Durham: Duke University Press 2017, S. 118-133.
52 Adorno, „Nadelkurven“, in: Ders., Gesammelte Schriften Band 19, S. 528.
53 Moten, „The Phonographic Mise-En-Scène“, in: Moten: Black and Blur. Consent not to be a single being, Durham: Duke University Press 2017, S. 118-133, hier S. 132. Ganz nebenbei bringt Moten damit auch die Trennung zwischen dem Register, dem Schönbergs Musik üblicherweise zugerechnet wird, und dem Jazz bewusst durcheinander. Die Frage ist für ihn nicht, ob ein Kunstwerk eher zur hohen oder zu einer niedrigeren Kunst gehört; auch nicht, ob man es in einem bestimmten Genre unterbringen kann. Im Zentrum steht vielmehr stets die politische Frage, ob und wenn ja welche Sozialität eine ästhetische Artikulation bezeugt und bestärkt. Das impliziert eine Verabschiedung der ästhetischen Autonomie, wie Adorno sie zeitlebens verteidigt hat. Vgl. dazu ausführlicher Ruth Sonderegger, „Autonomy (and why we should move on from it)“, in: Valery Vinogradovs, Aesthetic Literacy: A Book for Everyone (im Erscheinen).
54 Vgl. zu dieser These Adornos z. B. „Zeitlose Mode. Zum Jazz“, in: Gesammelte Schriften 10.1., S. 123-137, hier S. 124: „dass alles Ungebärdige in ihm [= dem Jazz] von Anfang an ein striktes Schema eingepaßt war und daß dem Gestus der Rebellion die Bereitschaft zu blindem Parieren derart sich gesellte und immer noch gesellt, wie es die analytische Psychologie vom sadomasochistischen Typus lehrt, der gegen die Vaterfigur aufmuckt und dennoch insgeheim sie bewundert, ihr es gleichtun möchte und die verhaßte Unterordnung wiederum genießt. […] Schon die Negro Spirituals, Vorformen des Blues, mögen als Sklavenmusik die Klage über die Unfreiheit mit deren unterwürfiger Bestätigung verbunden haben.“ Ähnlich hatte Adorno schon in „Über Jazz“ (Gesammelte Schrift 17, S. 74-108, hier S. 77) argumentiert: „soviel jedenfalls ist gewiß, daß die Gebrauchsfähigkeit des Jazz die Entfremdung nicht aufhebt, sondern verstärkt.“
55 Vgl. dazu etwa die Bemerkung am Beginn der Ästhetischen Theorie: „Modern ist Kunst durch Mimesis ans Verhärtete und Entfremdete; daß sie kein Harmloses mehr duldet, entspringt darin.“ (Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 39.)
56 Frederick Douglass hat schon 1845 in der oben aus seiner Autobiografie zitierten Passage darauf hingewiesen, dass Schwarze Musik von Außenstehenden nicht verstanden, sondern als Jargon wahrgenommen würde: „This they would sing, as a chorus, words which to many would seem unmeaning jargon, but which, nevertheless, were full of meaning to themselves.“
57 Stefano Harney and Fred Moten, The Undercommons. Fugitive Planning & Black Study, Wivenhoe, New York, Port Watson: Minor Compositions 2013, S. 28.
58 Adorno, Minima Moralia, a.a.O., S. 177. Zu einer verwandten Kritik an Adornos heroischem Autonomieverständnis eines einsamen (Intellektuellen-)Subjekts vgl. auch Nigel Gibson, „Rethinking an Old Saw: Dialectical Negativity, Utopia, and Negative Dialectic in Adorno’s Hegelian Marxism“, in: Nigel Gibson und Andrew Rubin (Hg.), Adorno. A Critical Reader, Malden MA und Oxford: Blackwell 2002, S. 257-291, insbs. S. 282 ff.
59 Ebenda, S. 133.
60 Okiji stellt diese Überlegungen in einer Diskussion von Adornos These an, dass dem Jazz ein kritisches Subjekt fehlt. Gegen dieses kritische, heroische Subjekt führt sie Adornos Ethik ins Feld, die um „humility or modestiy and affection“ kreise. Vgl. Okiji, Jazz as Critique, a.a.O., S. 65.
61 Fred Moten, „The Case of Blackness“, in: Criticism, Spring 2008, Vol. 50, No.2, S. 177-218, hier S. 188.
62 Ebenda, S. 193.
63 Ebenda, S. 195.
64 Ebenda, S. 197.
65 Ebenda, S. 199.
66 Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 15.
67 Moten, „The Case of Blackness“, a.a.O., S. 199.
68 Weiter ausgeführt und verteidigt habe ich eine solche pragmatistisch-materialistische Ästhetik sinnlicher Praktiken in: Ruth Sonderegger, „Für eine Episteme sinnlicher Praktiken jenseits der kunsttheoretischen Ästhetik“, in: Judith Dellheim, Alex Demirovic, Katharina Pühl, Ingar Solty und Thomas Sablowski (Hg.), Auf den Schultern von Marx, Münster: Westfälisches Dampfboot 2020 (im Erscheinen). Vgl. dazu auch bell hooks „an aesthetic of blackness“, in: bell hooks: yearning. race, gender, and cultural politics, New York: Routledge 2015, 103-113; Paul C. Taylor, Black is Beautiful. A Philosophy of Black Aesthetics, Malden MA/Oxford/Chichester 2016.
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26–27 September 2024
International Conference
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MARIA CHEHONADSKIH
‘EVERY CONSTRUCTION REGROUPS THE WORLD’: SIGHT, SENSE, POINT OF VIEW, AND THE DECOLONIAL NOTIONS OF CLASS IN THE SOVIET AVANT-GARDE
In 1921, the literary critic Yuri Tynyanov observed that every poet and writer arranges similar objects in a hierarchical order and places dissimilar objects on an equal plane. In this sense, ‘every construction regroups the world’. In the post-revolutionary artistic and literary avant-gardes, the new groupings of words and things emerged to address how the experience of revolution penetrates subjects and object, creates new forces and environments, and shifts attention away from the obvious to what has been unseen and invisible. This affects the understanding of the notion of the proletariat, which, given the post-revolutionary motley composition of peasants, ethnic minorities and small urban working classes, receives a rather heterodox, anti-colonial and generally expanded understanding that differs radically from the Western Marxist version and context. For such author as Andrei Platonov, the notion of the proletariat embraces not only peasants and nomadic people, but also animals, plants and the earth. Conceptually, writers and artists close to Platonov focus on the politics of the new post-revolutionary sensibility, problematised as a rupture with the old systems of heliocentric and anthropocentric perspective. Sight, sense, and point of view become an important framework to address who and what could be seen as the subject of art and literature, and who and what articulates the experience of revolution.
The paper considers from a decolonial perspective less-known concepts of proletarian sensibility, life-building and perspectival vision developed by the artistic and literary avant-gardes in the 1920s and 1930s. The first part of the paper outlines the theory of sensation in the avant-garde understood a complex relation of reciprocal mirroring and perspectivism, which constructs material forms and shapes composite structures. In the second part of the paper a conceptual relationship between the artistic theories and Alexander Bogdanov’s understanding of relational and environmental structures, perspectivism and perception, objectivity and social totality will be established by staging a discussion on the expanded definition of proletarian experience in works of Andrei Platonov and other authors.
Maria CHEHONADSKIH is a Lecturer in Russian at Queen Mary University of London. She was a Max Hayward Visiting Fellow at St Antony’s College, University of Oxford (2019-2021). Maria Chehonadskih received her PhD in Philosophy from the Centre for Research in Modern European Philosophy, Kingston University in 2017. Her research and work concentrate on the epistemologies of (post-)socialism across philosophy, science, literature, and art. She is the author of ‘Alexander Bogdanov and the Politics of Knowledge After the October Revolution’ (Palgrave Macmillan, 2023).
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AMBER JAMILLA MUSSER
THINKING THE BODY-PLACE THROUGH KIYAN WILLIAMS
When Hortense Spillers describes the violence of the transatlantic slave trade, she borrows from Freud the term “oceanic” to indicate “an analogy for undifferentiated identity: removed from the indigenous land and culture, not-yet ‘American’ either, these captive persons, without names that their captors would recognize, were in movement across the Atlantic, but they were also nowhere at all.”[i] Working through Spillers’s spatial estrangement is important because it allows us to sense the ways that modernity itself produces a broader cleavage between “Man” and place. While Sylvia Wynter dwells most extensively on the production of different genres of the human, embedded in her argument is also a severing of people from place, which results in a discourse of the environmental (background) rather than understanding the depth of connection between living and non-living entities and processes held in proximity.[ii] This is one of the violences that Jacqui Alexander invokes in relation to “archaeologies of dominance,” which we can understand as the intertwining of capitalism and colonial.[iii]
As a mode of repair that favors the possibilities of multiplicity and expansion over individuation, I arrive at the body-place in my recent monograph, Between Shadows and Noise, which, I argue, allows us to feel for fuller modes of enfleshment, moving beyond subject-object divisions and the spatial, spiritual, and temporal cleavages that produce “Man.” These dispersals of being occur at multiple scales –“above” and “below” the individual – while acknowledging the impossibility of separating “my” movements from those of my extended kin and spiritual network, each relation producing conditions of possibility, forms of knowledge, as well as constraints and challenges. In this talk I will expand on the politics of the body-place by looking at the work of Ruins of Empire, a recent land sculpture by Kiyan Williams.
[i] Hortense Spillers, “Mama’s Baby,” 72.
[ii] Sylvia Wynter, “Unsettling the Coloniality of Being/Power/Truth/Freedom.”
[iii] Jacqui Alexander, Pedagogies of Crossing, 6.
Amber Jamilla MUSSER is a professor of English and Africana studies at the CUNY Graduate Center. She writes and researches at the intersections of race, sexuality, and aesthetics. In addition to writing art reviews for The Brooklyn Rail, she has published widely in queer studies, black feminism, psychoanalysis, and critical theory. She is the author of Sensational Flesh: Race, Power, and Masochism (NYU Press, 2014), Sensual Excess: Queer Femininity and Brown Jouissance (NYU Press, 2018), and Between Shadows and Noise: Sensation, Situatedness, and the Undisciplined (Duke University Press, 2024). Her collaborative projects include co-editing Keywords for Gender and Sexuality Studies (NYU Press, 2021) and co-hosting its accompanying podcast Feminist Keywords; special issues of Signs: A Journal of Feminist Theory on “Care and Its Complexities” and ASAP Journal on “Queer Form;” and the series Elements in Feminism and Critical Theory for Cambridge University Press. She was President of ASAP (Association for the Study of the Arts of the Present) from 2022-2023, when she co-chaired ASAP-14: Arts of Fugitivity in Seattle; and she is currently co-chairing ASAP-15: Not a Luxury in New York City in October 2024. She is also co-Editor of Social Text.
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26–27 September 2024
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LAURA HARRIS
WHAT REMAINS AND SUSTAINS: IN THE INTERSTICES OF NEW YORK CITY IN THE 1970s
Expanding on the account I give of the aesthetic sociality of blackness in Experiments in Exile, I have been studying the way it, or something like it, operates within the context of the political and economic reconstruction of New York City in the 1970s. My focus has been on the creative social and aesthetic practices through which those targeted for eviction from the new New York – queer hustlers, teenage gang members, and roving picketers, among others, whose deviant or dissident activities cannot be accommodated – remain and sustain one another.
Drawing on the research I have been doing, I will discuss the kinds of mutual aid and protection that structure the motley social formations that take shape in the interstices of the city. Such formations are perhaps the offspring of what Jacob Riis once described as the “queer conglomerate mass of heterogeneous elements” that made up New York’s unruly and uncontained “other half” at the turn of the century. They are akin to what Maria Lugones envisions as “hangouts” created by and for those who find themselves at odds with “home” or the “home-shelter-street-police station/jail/asylum-cemetery circle.” Unsettled, and unenclosed, these formations are permeable, fluid, mobile fields composed of elements which themselves have “ill-defined” edges. No discrete individual subject can be parsed out and privileged in these fields, no individual standpoint or point of view can be maintained. There are only the difficulties and pleasures of companionship among those who work together to reconstruct the city in their own ways, for their own purposes.
Because films and videos have been my most important primary sources, I have also been studying what happens when film and video artists approach these kinds of fields. If film and video artworks are often understood to be determined by the points of view of their “auteurs,” I consider what can and can’t be registered when such points of view are assumed and how both the separations and the relations they seem to establish might be troubled by the aesthetic sociality of these fields.
Laura HARRIS is Associate Professor of Cinema Studies and Art & Public Policy at New York University. She is the author of Experiments in Exile: C. L. R. James, Hélio Oiticica and the Aesthetic Sociality of Blackness (Fordham University Press, 2019). Her writing has also been published in Social Text, Women & Performance, Criticism, The South Atlantic Quarterly, sx salon, The UnderCommons Collective Magazine, and other journals.
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26–27 September 2024
International Conference
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ANJA SUNHYUN MICHAELSEN
RETHINKING THE ARCHIVE FROM AFFECT: A CASE STUDY
We could, writes Trinh Thi Minh-ha, try to see the blank spaces in the archive not just as evidence of repression but also as a source for a different imagination in service of “a profound determination not to forget”. Trinh proposes a reparative exercise which centers archival gaps: “Whether materially or immaterially manifested the blank space remains alive with indefinite possibilities.”
I will present a case study of disappearance in the archive: Since the late 1960s, about 2,300 South Korean children have been placed for adoption in West Germany, out of a total of 200,000 worldwide. Part of this history of Third and First World relations, systemic neglect and imperial humanitarianism are inbuilt blank spaces in the paperwork regarding the identities of the (Korean) parents. On the basis of archival research, I am looking for ways to write about this history without filling in the gaps or leaving them to oblivion, but instead approaching their “indefinite possibilities”. In working with archival fragments, I take note from the many academic and literary writers and artists for whom the problem of the gaps has led to a different aesthetic in their own work. What happens when we rethink archival research from its affective impact, “from the perspective of the fever, the acts of those whom it infects” (Ariella Azoulay), when we take narrative impasses (Saidiya Hartman) and the intention to “write until they were real” (Bhanu Kapil) seriously? When the goal is not to uncover hidden injustices, forms of revenge, protection and resuscitation emerge.
Anja Sunhyun MICHAELSEN is a postdoctoral researcher in the ERC Consolidator Grant Project “Tales of the Diasporic Ordinary. Aesthetics, Affects, Archives” at Humboldt-Universität zu Berlin. Her research focuses on migrant and diasporic writing and art, queer and postcolonial archives, and reparative practices after Eve Sedgwick. She is currently working on an archive-based manuscript about the placements of South Korean children with West German families from the 1960s to the 1980s.
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26–27 September 2024
International Conference
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ENCARNACIÓN GUTIÉRREZ RODRÍGUEZ
COUNTERING Necropolitical Social Reprodution: Decolonial mourning and relational ontology
This paper proposes understanding decolonial mourning as an articulation of resistance of necropolitical social reproduction. Though the concept of necropolitical social reproduction might sound contradictory, it helps us to understand the negative dialectic constituting social reproduction. Thus, as we will see, it does not just rely on the production of life but is deeply entrenched in the systemic allowing to die and killing of feminized, gendered, sexualized, disabled, racialized, migrantized, impoverished and abandoned bodies. The politics of mourning, specifically decolonial mourning, as affective labor, I will argue, articulates the contradiction and continuum between life and death. As such, it speaks about necropolitical social reproduction. This argument will develop in four steps. First, I will engage with the analysis of feminicide in the Argentinean movement Ni Una Menos through its politics of mourning and relate it to a theoretical genealogy of Latin American feminist theory. Then I will approach necropolitical social reproduction and contrast it to Gladys Tzul Tzul’s proposal of communal resistance to genocidal and extractivist racial capitalism. Following this argument, I will consider Leanne Betasamosake Simpson’s understanding of ontological relationality.
Encarnación GUTIÉRREZ RODRÍGUEZ is a Professor in Sociology with a focus on Culture and Migration at the Goethe University, Frankfurt am Main. Previously to this position, she was Professor in General Sociology at the Justus-Liebig-University Giessen. Moreover, she is a Adjunct Professor in Sociology at the University of Alberta, Canada, and a Visiting Professor at Nelson Mandela University, South Africa. Among her publications is the book Migration, Domestic Work and Affect, published by Routledge (2010). More recently she has published Decolonial Mourning and the Caring Commons. Migration-Coloniality Necropolitics and Conviviality Infrastructure (Anthem 2023), also with Shirley Anne Tate the Palgrave Handbook in Critical Race and Gender and with Rhoda Reddock Decolonial Perspectives on Entangled Inequalities: Europe and the Caribbean as well with Pınar Tuzcu Migrantischer Feminismus in der Deutschen Frauenbewegung, 1985-2000. Her work engages with affective labor, materialities, institutional racism, racial capitalism and the coloniality of migration.
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26–27 September 2024
International Conference
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SIRAJ AHMED
TEXTUALITY, GENOCIDE, LIBERATION
Modern state formation has created, with much fanfare,
populations who claim to be sovereign and free by virtue of their national belonging. Over and over again, this process has also created, which much less fanfare, generally racialized peoples whom it attempts to deny political agency and to treat as effectively non-sovereign. These peoples are exposed, differentially, to unnatural death in its various forms: the sovereign power to take life, the sovereign prerogative to let die, slow violence, social death, etc. Though this logic—the creation of sovereign populations whose political and economic security appears to depend on the inverse creation of non-sovereign peoples—is paradigmatically colonial, it has become even more world-encompassing in recent decades than it was during the colonial era.
Using the work of legal scholars, political theorists, and anthropologists, this talk offers three ways to think about how textual study has itself been implicated in the creation of sovereign and non-sovereign people, in this not merely colonial but ultimately genocidal dynamic. The conclusion to this talk points toward a critical method that would instead resist this logic. Such a method would no longer simply turn written texts, cultural traditions, and historical periods into the reified objects of scholarly knowledge, into things scholars may claim to know. As we shall see, that transformation is a distinctive feature of colonial modernity.
Siraj AHMED is Professor of English and a member of the Committee on Globalization and Social Change at the CUNY Graduate Center, New York. He is the author of The Stillbirth of Capital: Enlightenment Writing and Colonial India (Stanford University Press, 2012) and The Archaeology of Babel: The Colonial Foundation of the Humanities (Stanford University Press, 2018), which received MLA’s Scaglione Prize for best book in comparative literature. His work has appeared in Critical Inquiry, Representations, MLQ, Cultural Critique, Nineteenth-Century Literature, The Eighteenth Century: Theory and Interpretation, The Immanent Frame: Secularism, Religion, and the Public Sphere, South Asia, The Postcolonial Enlightenment (Oxford University Press, 2009) and A Companion to Literary Theory (Blackwell, 2018), among other publications. He has held multiple fellowships from the National Endowment for the Humanities and others from the Mellon and the Whiting Foundations, the Huntington and the Clark Libraries, and the University of London Institutes of English and of Commonwealth Studies. He received his B.A. in English and Philosophy from the University of Pennsylvania and his Ph.D. in English & Comparative Literature from Columbia University
After Autonomy
26–27 September 2024
International Conference
Academy of Fine Arts Vienna,
Room M20, Mezzanin
Schillerplatz 3
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Schedule After Autonomy
Conference
Thursday
11:15 - 11:45
Welcome with tea and coffee
11:45-12:00
Introduction to the conference by Katja Diefenbach, Çiğdem Inan, Ruth Sonderegger, and Pablo Valdivia
12:00-13:30
ENCARNACIÓN GUTIÉRREZ RODRÍGUEZ
COUNTERING NECROPOLITICAL SOCIAL REPRODUCTION: DECOLONIAL MOURNING AND RELATIONAL ONTOLOGY
Moderated by Çiğdem Inan
13:30-14:30
Lunch break/Mensa
14:30-16:00
SIRAJ AHMED
TEXTUALITY, GENOCIDE, LIBERATION
Moderated by Pablo Valdivia
16:00-16:30
Coffee break
16:30-18:00
LAURA HARRIS
WHAT REMAINS AND SUSTAINS: IN THE INTERSTICES OF NEW YORK CITY IN THE 1970s
Moderated by Ruth Sonderegger
Friday
10:00
Welcome with tea and coffee
10:30-12:00
ANJA SUNHYUN MICHAELSEN
RETHINKING THE ARCHIVE FROM AFFECT: A CASE STUDY
Moderated by Ruth Sonderegger
12:00-12:15
Coffee break
12:15-13:45
AMBER JAMILLA MUSSER
THINKING THE BODY-PLACE THROUGH KIYAN WILLIAMS
Moderated by Çiğdem Inan
13:45–15:00
Lunch break in Mensa
15:00–16:30
MARIA CHEHONADSKIH
‘EVERY CONSTRUCTION REGROUPS THE WORLD’: SIGHT, SENSE, POINT OF VIEW, AND THE DECOLONIAL NOTIONS OF CLASS IN THE SOVIET AVANT-GARDE
Moderated by Katja Diefenbach
Çiğdem INAN
is an interdisciplinary social scientist with teaching and research focuses on affect theory, migration and border studies, queer-feminist and decolonial philosophies, post-structuralism and critical race theory. Inan is currently working – under the title “The Other of the Affective” – on a research project on ante-politics of the affective which explores the entanglements of dispossession and affectivity and analyses their reciprocal transgression. Interpreted both in terms of a critique of power and an analytics of resistance, categories such as affectivity, difference, situatedness, counter-violence and time are discussed in the context of affective dispossession within colonial-capitalist modernity. Inscribing their power of transgression into an ontology of fugitivity, Çiğdem Inan analyses the productions of unruly affectivity, sensual refusal and aesthetic-political lines of flight in diasporic-migrant spaces.
Inan is member of the publishing collective b_books (Berlin) and editor of the book series and publication platform re:fuse, in which Inan recently co-edited the German translation of C.L.R. James's The Black Jacobins. Toussaint Louverture and the Haitian Revolution. The series has been continued with the publication of Lauren Berlant’s Cruel Optimism (2024) in German translation, and the still forthcoming translation of Sylvia Wynter’s We Must Learn to Sit Down Together and Talk About a Little Culture: Decolonising Essays 1967-1984. Inan has taught, among others, at Humboldt University Berlin, the Academy of Fine Arts Vienna, and the Freiburg University of Education; currently, she is associated to the DFG Network Gender, Media and Affect.
Inan’s most recent publications are “Opfer-Täter*innen-Umkehrungen, enteignete Verletzbarkeit und andere Affizierungen”, in Solingen, 30 Jahre nach dem Brandanschlag. Rassismus, extrem rechte Gewalt und die Narben einer vernachlässigten Aufarbeitung, ed. B. Demirtas, A. Schmitz, D. Gür-Seker, Ç. Kahveci, (transcript, 2023); “Affekttheoretische Perspektiven auf Rassismus”, in Rassismusforschung I. Theoretische und interdisziplinäre Perspektiven, ed. National Discrimination and Racism Monitor (transcript Verlag 2023); “‘Not this time’. On the Dispossession of Grief”, in Texte zur Kunst, no. 127, special issue on mourning, co-ed. Çiğdem Inan (June 2022).
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
International Conference
Logensaal, Logenstr. 1l
European University Viadrina
Frankfurt (Oder)
SEAN ColonnA
Drug Studies, Aesthetics, and the Decolonization of Subjectivity
To study drugs and the experiences they induce is to study the nature of human subjectivity, a central concern in aesthetic discourse. Common themes like taxonomies of pleasure, the relationship between desire and reason, and the value of self-transcendence emerge in both the study of aesthetics and drugs. In this talk, I explore these themes and demonstrate how theories and methods from drug studies can help decolonize Western aesthetics and reshape our understanding of human selfhood.
Drawing from diverse disciplines such as anthropology and philosophy, I outline several methodological principles derived from the interdisciplinary field of drug studies. I argue that these principles are invaluable not just for the humanistic study of drugs and their cultures but also for understanding art and aesthetics more broadly. In the second part of my talk, I provide a comparative reading of eighteenth-century German writings on coffee and music. Inspired by Sylvia Wynter’s work on "the coloniality of being," my analysis examines both the fluidity of the aesthetic as a category of experience and how historical writings on music and coffee contributed to naturalizing and universalizing “Man” as the ideal version of the human.
Sean COLONNA is the Felicitas Thorne Postdoctoral Fellow in Music at Bard College, where he teaches a variety of courses related to music history as well as the First-Year Seminar. His dissertation, "Musical Aesthetics, Drugs and Subjectivity in Germany, 1770s–1820s," published in May of last year, examines theories of subjectivity as they are articulated in writings on music and drug-induced experiences in Germany during the turn to Romanticism. Some of this research can be found in expanded form in his 2021 article "Coffee and Music: Anthropotechnologies of the Enlightenment," published in The World of Music. His latest article, "Intoxication and Re-Enchantment in German Romantic Musical Aesthetics," is set to appear in The Musical Quarterly later this year. Additionally, Colonna has written on pedagogy and inclusivity in his essay "Using Mastery Objectives to Foster Inclusive Teaching," featured in the book Teaching Gradually (2021). He is currently working on a book project that examines the history of drug culture and musical aesthetics from the nineteenth century to the present.
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
International Conference
Logensaal, Logenstr. 1l
European University Viadrina
Frankfurt (Oder)
Speakers
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
International Conference
Logensaal, Logenstr. 1l
European University Viadrina
Frankfurt (Oder)
Kandice CHUH
Out of (Common) Time
In this talk, Kandice Chuh considers the role of chronoception to the production, legitimation, and sustenance of the sensus communis. Thinking alongside such artists and intellects as Al-An DeSouza, Hito Steyerl, and Thao Nguyen Phan, Chuh attends to the lexicon of terms – futurity, pastness, duration, change, periodicity, and potentiality among them – that attests to the centrality of the sense of time to normative as well as insurgent conceptions of everything from history to social life, and beingness to beauty. Bringing forward the knowledge and sensibilities – the aesthetics and values – emergent from those normatively rendered the untimely, the backward, the somehow ever developing, consigned to the “waiting room of history,” as Dipesh Chakrabarty has put it, Chuh emphasizes the potency and pleasures of being out of (common) time. Attending to time in these ways, she proposes, is necessary to the interruption of the ordinariness of the violences that attend to worlds organized around belligerent accumulation.
Kandice CHUH is a professor of English, American Studies, and Critical Social Psychology at the City University of New York Graduate Center, where she is also affiliated to several other units including the Africana Studies program and the MA in Liberal Studies program. Her most recent book is the award-winning The Difference Aesthetics Makes: On the Humanities “After Man” (Duke University Press, 2019), and she is currently completing a collection of essays on pedagogy titled The Disinterested Teacher. She is also at work on Studying Asia, a book length project considering contemporary Asian racialization. Chuh has served as president of the American Studies Association (2017-18) and in a variety of other leadership positions in such organizations as the Modern Language Association and the Association for Asian American Studies, and has been recognized for excellence in scholarship, teaching, and mentorship. She teaches and lectures widely on subjects ranging from aesthetic theories to transpacific studies, queer and feminist theory to considerations of “the good life.”
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
International Conference
Logensaal, Logenstr. 1l
European University Viadrina
Frankfurt (Oder)
Max Jorge HINDERER CRUZ
On the Political History of Aesthetics: A Problem of Categorization
While the poets and thinkers of the Enlightenment period claimed that before beauty all humans would be free and equal, this intervention claims, there is an unwritten history of philosophical aesthetics, that is interlinked with 16th century colonialism, the birth of biopolitics, the global circulation of people, information, goods, money, as well as with the implacabiltiy of death. We won’t be able to understand the conflicting histories of aesthetics without understanding the impact that the colonial economy and the racial categories it engendered had on the European conception of beauty and aesthetics. Nor will we be able to assume responsibility before its materiality and historicity, without an understanding of the claims for self-determination, justice and reparations by indigenous and afro-diasporic people in Latin America and the Caribbean at the beginning of the 21st century. The presentation proposes a critical revision of the history of aesthetics from the vantage point of colonialism and ongoing anticolonial struggles. Ultimately, this presentation contends a problem of categorization when thinking about aesthetics.
Max Jorge HINDERER CRUZ is director of the Independent Studies Program (PEI) at the Museum of Contemporary Art Barcelona (MACBA). Previously he was director of the National Museum of Art (MNA) in La Paz, and Artistic Director of the Akademie der Künste der Welt (ADKDW) in Cologne. His recent publications include the books La deuda con la belleza. Textos 2019-2021 (PCP-Programa Cultura Política, 2022) and (as editor) Elvira Espejo Ayca, YANAK UYWAÑA. The Mutual Nurturing of the Arts (transversal texts, 2023). In October 2024 his book Before Beauty. Aesthetics and Anticolonialism will be published by Sternberg Press, London.
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
International Conference
Logensaal, Logenstr. 1l
European University Viadrina
Frankfurt (Oder)
Monique ROELOFS
Taste, Race, and the Public: Aesthetic Agency in Diamela Eltit’s E. Luminata and The Fourth World
Enlightenment philosophers David Hume and Immanuel Kant situate aesthetic objects in a public sphere, organized around the figure of the general observer. However, what these thinkers took to be a universal forum for aesthetic meaning making and a generally accessible faculty of taste are in fact sites of fundamental exclusions. Should philosophy, hence, give up on the notion of the public as a field of aesthetic production and reception? This essay approaches this question from the perspective of Diamela Eltit’s novel E. Luminata (1983). Published during the Pinochet dictatorship, Eltit’s text literalizes the notion of enlightenment through the image of an advertisement sign that casts its projections over the people gathered in a public square in Santiago de Chile. The sign endows the Chilean people with an identity in the global marketplace, construing them as a colonial after-effect, and heralding society’s total governance by a neoliberal world system. However, through strategies such as counterstatements, the text also makes visible an alternative form of aesthetic agency. Eltit’s later novel The Fourth World (1988) develops this approach further by countering a relentless global process of accumulation with critical figurations of race, taste, sexuality, and nation. By juxtaposing Enlightenment constructions of taste and the public with aesthetic readings of crucial aspects of Eltit’s two novels, this essay argues for the importance of aesthetic publicness and agency and signals ways in which we can construct these notions on new terms.
Monique ROELOFS Monique Roelofs is Professor of Philosophy of Art and Culture at the University of Amsterdam. She has published widely on the relation between aesthetics and politics, with a special focus on the dynamics of race, gender, nation, coloniality, and the global. She is the author of Arts of Address: Being Alive to Language and The World (Columbia UP, 2020) and The Cultural Promise of the Aesthetic (2014). Roelofs is currently completing a monograph on the turn to the public in Latin American and Latinx aesthetics and a second book-length investigation on the aesthetics of address. She recently coedited the collection Black Art and Aesthetics: Relationalities, Interiorities, Reckonings (Bloomsbury, 2024).
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
International Conference
Logensaal, Logenstr. 1l
European University Viadrina
Frankfurt (Oder)
Jamila M. H. MASCAT
Marx, Slavery and Colonialism:
A Case for So-Called Permanent Accumulation
Marx’s vivid exploration of slavery across his works – spanning from The Poverty of Philosophy (1847) to his articles for the New York Tribune (1852-1862) and culminating in Capital (1867) – underscores the significance he placed on the slave trade and the plantation economy in his theory of the genesis and expansion of the capitalist mode of production. In the last two decades, however, a growing number of scholars (Johnson 2004, Issar 2021, Smallwood 2007, Singh 2016), have questioned the potential shortcomings of Marx’s understanding of slavery, suggesting that he may have downplayed the relevance of slave labor – to emphasize the pivotal role of waged labor in capitalism – and erroneously confined it at the “dawn of the era of capitalist production,” namely at the stage of “so-called primitive accumulation.”
After mapping what Marx wrote on slave trade, slave labor, and the plantation system, this paper aims at reconstructing his conceptualization of the “slavery character” of capitalism (to borrow from W.E.B. DuBois) along with its colonial dimension. Then it seeks to provide an account of the articulation proposed by Marx of the connection between slavery, colonialism, and the development of global capitalism. Finally, the paper engages with critical readings that stress the limits of Marx’s concept of “so-called primitive accumulation” to make a case for the notion of “permanent accumulation” within racial capitalism.
Jamila M. H. MASCAT is an Assistant Professor of Gender and Postcolonial Studies at the Graduate Gender Programme at Utrecht University. Her transdisciplinary research works across the fields of Political Philosophy (German Idealism and Marxism in particular), Postcolonial Studies, Feminist Theories, and Critical Philosophy of Race. Her current research interests focus, on the one hand, on theories of partisanship and political engagement and, on the other hand, on theories of postcolonial justice and postcolonial reparations.
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
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Frankfurt (Oder)
Matthieu RENAULT
John Locke: A (Geo)Philosophy of Slavery
How can one maintain that “[s]lavery is so vile and miserable an Estate [...] that ’tis hardly to be conceived, that […] a Gentleman, should plead for’t”, and at the same time be a supporter of the slave trade and the enslavement of Africans in America? This question has been left to us by John Locke, father of liberalism but also a key player in English colonial policies in the New World. The spontaneous answer is to suppose an “external” contradiction between theory and practice, the man and his ideas. But this paper will argue that we should rather speak of an “internal” constitutive duality in Locke’s philosophy. It takes its roots in the way he reduces the very concept of slavery (“so directly opposite to the generous Temper and Courage of our Nation”) to the situation of English subjects placed under the yoke of absolute monarchy, through a process of metaphorization and concealment of concrete-empirical slavery that would culminate in the Age of Enlightenment. At the beginning of the chapter on the “state of nature” of the Second Treatise of Government, Locke suggests that God, “lord and master” of all men, might have given some an “undoubted right to dominion and sovereignty” over others. This hypothesis, however, is immediately put on hold since it threatens the postulate of original equality on which the entire theory of the social contract is based. Moreover, contrary to what has sometimes been claimed, it is impossible to identify here the premises of the doctrine of racial difference that will later serve to justify transatlantic slavery. Turning to Locke’s epistemology, and to his critique of the idea of species in particular, we shall see that he shapes a different strategy of anthropological exclusion, one based on continuous “small differences” between individuals, to assert the right to absolute dominion of white (gentle)man over “idiots,” poor and vagrant people, white indentured servants, native Americans and black slaves. In conclusion, the paper will advance that, in Locke, a genuine topo-logic of differential functioning of concepts is at work, according to which the same notions, first and foremost that of work (hence servitude), do not have exactly the same meaning and valence on either side of the Atlantic divide.
Matthieu RENAULT is Professor in Critical history of philosophy at the Université Toulouse – Jean Jaurès (France), and a member of the Research Team on Philosophical Rationalities and Knowledge (ERRaPhiS). His research focuses on the relationships between philosophy and non-European societies, the (post)imperial history of knowledge and its minority rewritings (class-gender-race). He is the author of: Frantz Fanon. De l’anticolonialisme à la critique postcoloniale (Éditions Amsterdam, 2011), L’Amérique de John Locke. L’expansion coloniale de la philosophie européenne (Éditions Amsterdam, 2014), C.L.R. James. La vie révolutionnaire d’un “Platon noir” (La Découverte, 2016), L’empire de la révolution. Lénine et les musulmans de Russie (Syllepse, 2017), W.E.B. Du Bois. Double conscience et condition raciale, with Magali Bessone (Éditions Amsterdam, 2021), and, forthcoming, Maîtres et esclaves. Archives du Laboratoire d’analyse des Mythologiques de la modernité (Les Presses du réel, 2024), Kollontaï. Défaire la famille, refaire l’amour (La Fabrique, 2024), with Olga Bronnikova.
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23–25 May 2024
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Frankfurt (Oder)
Mary NYQUIST
Pre-Civility, Indigeneity, and War:
Hobbes and Euro-Colonialism
This talk will begin by exploring interrelations between early modern visual and textual representations of Amerindigenes and “allochronism,” that is, the ideologically charged conviction that Amerindigenes live in a time that is not that of their European colonizers (“allo” meaning “other” or “different from”). Throughout the historical era in which Euro-colonialism and capitalism become consolidated, European Christendom considers itself significantly more advanced, developmentally, than nearly all non-European societies. The belief that Europeans long ago left “savagery” or “barbarism” behind facilitates many aspects of belligerent accumulation and what is now known as “de-development.” It also continues to be an influential ideological meme to this day. Thomas Hobbes appropriates Euro-colonialism’s split, disjunctive temporality in theorizing the original condition of humankind, most often known as the “state of nature.” One consequence of this appropriation is that fear of Amerindigenes’ “savagery” serves to rationalize Euro-colonialist violence, which, ostensibly defensive, is both expropriative and a means of ethnic cleansing. Another is that it racializes a condition believed to be “natural.” In associating pre-civility, naturalness, and racialized inferiority, Hobbes, his Euro-colonialist predecessors, and his contemporaries secure a foundation for a variety of social and economic practices that are often unnamed and only later legitimated under terms that are deemed acceptable. It will be argued, further, that Hobbes’s foregrounding of warfare enables him implicitly to racialize contemporaneous institutional slavery and to bind it to pre-civility. I hope to conclude by clarifying the terms of Locke’s indebtedness to Hobbes regarding racialized Atlantic slavery. In my view, these terms are frequently either misunderstood or mystified in an effort to construct an unproblematically “liberal” philosophical tradition, whether that tradition is being critiqued or defended.
Mary NYQUIST has taught in four different units at the University of Toronto, Ontario, Canada: the Centre for Comparative Literature, the Department of English, the Programme in Literature and Critical Theory, and the Institute of Women’s and Gender Study (of which she was a former Director). Her research centres on 16th through 18th century literature as it intersects with Euro-colonialism, Atlantic slavery, law, and political philosophy. Since the publication of Arbitrary Rule: Slavery, Tyranny, and the Power of Life and Death (Chicago University Press, 2013), Nyquist has published essays on Daniel Defoe, Olaudah Equiano, Shakespeare, the language of liberty and slavery, and three major essays on Hobbes. She is currently completing a book on Milton (tentatively entitled Milton’s ‘Man’: Resistance, ‘Race,’ Reception) and is at work on a manuscript on Hobbes. When these are done, she hopes to do a cross-over study of racialized acts of obeisance that has been solicited by Oxford University Press. For decades she has been an anti-war and anti-racist activist and has recently published a poetry collection, Wet Toes.
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Robert BERNASCONI
Luis de Molina’s Moralizing in the Face of an Increasingly Autonomous Colonial System
It is tempting to suppose that the Portuguese and Spanish sleepwalked into their slave-based Empire by degrees, but at various moments its basis was rigorously examined, especially from within the Salamanca School. Domingo de Soto questioned the validity of the arguments used to legitimate the Spanish Empire even before Vitoria wrote De Indiis. However, subsequent generations of the Salamanca School were left with the task of reconciling the consciences of both the colonizers and the beneficiaries of the slave trade with a system that was widely recognized as corrupt, in many of its operations unjustifiable, but by that time so well established that it seemed impossible to dismantle. Francisco Suarez, the last major philosophical representative of the Salamanca School, could criticize some of the practices of the colonizers but the “justifications” for what de Soto had been unable to justify were now so well established that they survived until the late eighteenth century largely unchallenged both by Catholics within the Iberian Peninsula and by Protestants in Northern Europe where they had been embraced, albeit from within a different philosophical framework.
The discourse in which the Salamanca School accomplished their work was an eclectic mixture of philosophy, moral theology, and legal and economic theory, but, equally importantly, it also relied on attempts to investigate the facts. Luis de Molina, who wrote more extensively on slavery than any other member of the School did so on the basis of interviews with numerous participants involved in the trade and indeed a study of global slavery. Whereas Vitoria largely dismissed the need to investigate whether persons have been legitimately enslaved prior to purchasing them, Molina argued that buyers needed to be more scrupulous. Nevertheless, in his work condemnations of the system were combined with advice to confessors tasked to ease the wrestling consciences of individuals who had succumbed to the temptations the system offered. His ability to do so revealed the paradoxes of the institutional basis from which he wrote. He represented a religious order and an educational institution that was at one and the same time committed to another world and yet an interested beneficiary of the commercial activities that were under investigation.
Robert BERNASCONI is Edwin Erle Sparks Professor of Philosophy and African American Studies at Penn State. A collection of his essays that highlights his work on the history of the concept of race was recently published under the title Critical Philosophy of Race. Essays (Oxford University Press, 2023). He has published two books on Heidegger and one on Sartre. In addition to being the editor or co-editor of a number of collections in critical philosophy of race including Race, Miscegenation, and Hybridity (Thoemmes, 2005), Race and Racism in Continental Philosophy (Indiana, 2003), Race (Blackwell, 2001), and The Idea of Race (Hackett, 2000), he is the editor of three journals: Critical Philosophy of Race, Levinas Studies, and Eco-Ethica.
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Frankfurt (Oder)
Mark NEOCLEOUS
The Social Wars of Belligerent Accumulation
The paper will argue for a recuperation of the concept of social war within Marxist thought. The concept of social war has a long history, stretching back to the Romans and running through the history of political and legal thought. Marx and Engels also often used it. And yet it has been lost to us, usurped by “civil war” or just plain “war,” and also usurped by the liberal claim that capitalism’s social realm (“civil society”) is by definition a realm of peace. This has led to Marxism having its arguments about war determined by non-Marxist thought. The paper will argue that we need the concept of social war to make better sense of the class war and of how the class war is permeated by the countless other social wars declared by the ruling class and the state, not least the permanent “war on waste.” Unravelling such wars offers a way of understanding the process of pacification since, as we discover, carrying out such wars undergirds the police power, and demands that we think of social wars as police wars. In this sense, the concept of social war highlights some of the issues undergirding the idea of belligerent accumulation.
Mark NEOCLEOUS is Professor of the Critique of Political Economy at Brunel University London. He is the author of a number of books, most recently The Politics of Immunity (Verso, 2022), taking his ongoing critique of security and interest in the body politic in a new direction. In 2021, a new edition of A Critical Theory of Police Power was published by Verso, 20 years after first publication. His new book Pacification is forthcoming in 2024. Also forthcoming in 2024 is The Security Abolition Manifesto, a collectively-authored book being simultaneously published in English, Spanish, Turkish and Greek. He is currently working on a book called The Most Beautiful Suicide.
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
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Frankfurt (Oder)
Maïa PAL
Rethinking multiplicity, legal form, and jurisdiction for early modern transitional practices
Debates in International Relations (IR) today are exploring concepts and practices of multiplicity as providing new fertile ground to develop theories of ‘the international’ such as the theory of uneven and combined development. One dimension of these approaches is the commercialisation model, which has become dominant in IR and international legal history to explain early modern transitions to capitalism (and thereby modernity). This article argues that this model, and the way in which it shapes the agenda on multiplicity by merging the processes of capitalism and modernity, is to the detriment of providing new theoretical tools to understand the early modern period. It contributes to broader difficulties in shifting the focus away from modern sovereignty and territory as concepts developed from the nineteenth century legal imagination and applied reductively to the early modern. Moreover, this also leads to problems when theorising the relationship between law and capitalism.
Instead, this paper examines various examples of early modern jurisdictional subjectivities, some key to the specific and later emergence of private property and state sovereignty (e.g. jurisdictional accumulation by the English/British empire), and some not (jurisdictional accumulation by the Spanish empire). It thus develops a distinction between transitional and non-transitional content i.e. the capitalist and non-capitalist agency of various early modern actors, institutions, and practices. However, transitional practices also shaped the structural determinacy of the capitalist legal form. This calls for (cautiously) combining the commodity form theory of law and Political Marxism, and developing a dialectic of legal form and jurisdiction for theorising law in capitalism. This dialectic responds to the need to integrate both a local and international approach to shift the focus away from multiple yet unilinear histories of sovereignty and territory. Thereby, jurisdiction provides an alternative to the dominant notions of commerce and trade in explaining largescale social change in the early modern period and helps to better differentiate the key phenomena of capitalism and modernity.
Maïa PAL is Senior Lecturer in International Relations at Oxford Brookes University (UK). She is the author of Jurisdictional Accumulation: An Early Modern History of Law, Empires, and Capital (Columbia University Press, 2021), and most recently of “Capital is Dead. Long Live Capital! A Political Marxist Analysis of Capitalism and Infrastructure” (with Neal Harris, forthcoming in TripleC: Communication, Capitalism, and Critique). She is a member of the Editorial Board of Historical Materialism.
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
International Conference
Logensaal, Logenstr. 1l
European University Viadrina
Frankfurt (Oder)
Schedule Belligerent Accumulation
Conference
Thursday
12:30
Welcome
12:45 – 13:00
Introduction to the conference and the first panel
by Katja Diefenbach, Ruth Sonderegger, and Pablo Valdivia
13:00 – 15:00
Ashley Bohrer
Rethinking Enclosure from the South: Primitive Accumulation and the Settler Commons in the History of Global (Racial) Capitalism
moderated by Pablo Valdivia
15:00 – 15:15
Break
15:15 – 17:15
Maïa Pal
Rethinking Multiplicity, Legal Form, and Jurisdiction for Early Modern Transitional Practices
moderated by Ruth Sonderegger
17:15 – 17:30
Break
17:30 – 19:30
Mark Neocleous
The Social Wars of Belligerent Accumulation
moderated by Katja Diefenbach
Friday
09:30 – 09:45
Introduction to the second panel
by Katja Diefenbach
09:45 – 11:45
Robert Bernasconi
Luis de Molina’s Moralizing in the Face of an Increasingly Autonomous Colonial System
moderated by Ruth Sonderegger
11:45 – 12:00
Break
12:00– 14:00
Mary Nyquist
Pre-Civility, Indigeneity, and War: Hobbes and Euro-Colonialism
moderated by Katja Diefenbach
14:00 – 15:15
Lunch break
15:15 – 17:15
Matthieu Renault
John Locke: A (Geo)Philosophy of Slavery
moderated by Pablo Valdivia
17:15 – 17:30
Break
17:30 – 19:30
Jamila Mascat
Marx, Slavery and Colonialism: A Case for So-Called Permanent Accumulation
moderated by Gal Kirn
Saturday
09:45 – 10:00
Introduction to the third panel
by Ruth Sonderegger
10:00 – 12:00
Monique Roelofs
Taste, Race, and the Public: Aesthetic Agency in Diamela Eltit’s E. Luminata and The Fourth World
moderated by Ruth Sonderegger
12:00 – 12:15
Break
12:15 – 14:15
Kandice Chuh
Out of (Common) Time
moderated by Pablo Valdivia
14:15 – 15:15
Lunch break
15:15 – 17:15
Sean Colonna
Drug Studies, Aesthetics, and the Decolonization of Subjectivity
moderated by Katja Diefenbach
Belligerent Accumulation
23–25 May 2024
International Conference
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European University Viadrina
Frankfurt (Oder)
Ashley BOHRER
Rethinking Enclosure from the South:
Primitive Accumulation and the Settler Commons in the History of Global (Racial) Capitalism
This talk complicates a familiar story for anti-capitalist analysis: that the enclosure of land in Europe is the historical precondition for proletarianization and hence, for the rise of capitalism. Nuancing this oft-retold story, I foreground the rise of various forms of colonial enclosure throughout the British, French, Spanish and Portuguese empires, arguing for their central importance in the rise of capitalism as a global system rather than as a fringe economic practice of Northern Europe. I trace both differences across these empires’ styles of imposing enclosure, but I also argue for general continuity across several geographical and cultural contexts. In the first part of this paper, I trace how the imposition of European norms of enclosure on colonized peoples and lands was a central aspect of the rise of global capitalism, setting the stage for economic, political, and ideological practices that sustained the rise and reproduction of colonial capital.
The second part of this paper traces an often-overlooked element of this history, namely that “enclosures” and “private property” are often (mistakenly) treated synonymously in the literature of the history of capitalism. But in the colonies, especially in settler colonies, enclosed land does not always function as private property. Tracing what I call “collective enclosures” and “settler commons,” I focus on the way that white settlers created racially-exclusive “commons” in the process of colonization. As newly proletarianized workers sought material security, adventure, and autonomy in the colonies (and as others were impressed into naval service or penal transport), they often recreated the feudal commons they had lost access to in Europe – places where one could draw timber, hunt animals, gather fruits and herbs, and use water beyond the limits of one’s own private property. This was true across the Spanish, French, and British Empires in the Western Hemisphere and was equally true of the Dutch in South Africa.
A crucial difference between the European commons of feudal peasantry and the new capitalist commons of the colony: the latter were bounded around racial and colonial lines. The settler commons were not only built on stolen indigenous land; they also excluded indigenous people from their use, often by threats, intimidation, and violence. These commons were far from “common” in the usual sense; they were specifically not designed for the free and open use of all human beings inhabited their environs. Rather, these colonial commons were a central, spatialized mechanism for bringing into existence a settler sphere and a settler class defined through one’s (projected) descent from Europe, a proto-form of what would be shortly concreted as whiteness.
Mobilizing an analysis of what Iyko Day has called “romantic anti-capitalism,” I argue that we can see these settler colonial collective enclosures as one material practice that turned European refugees from capitalist devastation into vanguard foot soldiers for capitalist accumulation.
Ashley J. BOHRER holds a PhD in Philosophy and currently serves as Assistant Professor of Gender and Peace Studies at the University of Notre Dame. Bohrer's first book, Marxism and Intersectionality: Race, Class, Gender, and Sexuality under Contemporary Capitalism (Columbia University Press, 2019) was short-listed for the Deutscher Prize and will be soon available in both Spanish and Greek. Bohrer's next book, Capitalism and Confinement, is forthcoming with Verso Books. In addition to academic work, Bohrer is an activist and public intellectual; you can access a fuller picture of their work at ashleybohrer.com.